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Full text of "Die Sünden der Väter und andre ironische Geschichten"

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ffleinr ^ibliotpef Congen ®anb 82 



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©te Junten ber 



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Don Korfijfjolm erfdjienen bei Ulbert Sangen 

Sd?lo§ Übermut, Zlooelle 5 . (Eaufenb 

Kr beit, Sdjaufptel in brei Kften 

DTesalliancen , groölf £iebes* unb (Hfjegefdjid^ten 

3 . (Eaufetib 

Die Könige, Dramatifcfyes (Schient in pier Kften 



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Ufern* Qj?t8ft»f$eft Sange« Q0anJ> 82 



Korfij tjolm 

Die Sünbeit bet* Pater 



unfc anbre ironifcge (Befcgt 




2t Iber t langen 
Perlag für Citteratar unb Kurtfi 
münden 1905 



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Seite 



Die Siinbett ber Pater 9 

Das folbatifd?e (gfyrgefiifyt 2^ 

Der 57 

Über (gräbern 51 

Pie (gnttobmiq 71 

(gitt llbfcfriebsfeft ♦ . 85 

Pie 2ibftnbung \ 0 K 

Per 2iust?ilfsfetlner Ul 

Per Statiftifer 125 

(Eragobett ber Siebe • 151 



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©tt ^ünfcen tor Q^Äfer 




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Die alte Dame futjr erfdjrocfen äurücf, als 
fte bie Cür geöffnet tjatte. 

„Du, Bernfyart? XDas ift bir? JDo Fommfi 
bu tjer?" 

„DireFt non Berlin, Cante £otte," fagte 
Berntjart teuerem gebrüeft. 

„Komm tierein, 3 un 9*- bu? t£>ie 

ftetjfl bu aus? So mitten im Seniefler? DireFt 
©on Berlin? Unb beine (Ettern ?" 

„Biemanb n?eifj, bafc idj tjier bin.'' 

„Klfo Fomm 3 uerjt mal herein, unb bann er* 
jätete. IDas tjajt bu auf bem fjersen?" 

Der junge Stubent legte feine Sachen ab 
unb folgte 5räulein 3örns in ibjr behagliches 
JDotinjimmer, bei beffen Betreten itjm fonft immer 

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bas £jer3 aufgegangen tvar. 2lbcr fjeute fjatte 
er feine 5^eube an beit alten ZITatjagonimöbeln, 
ben großen poljterftüfylen mit ben 0 B)rfIappen, 
ben burcbjtdjtig tveißen (Sarbinen. <£r badjte nur 
an jtdj unb fein Unglücf. 

„Kber 5uerjt Fodje id] bir eine Cajfe Kaffee, 
3unge, bu jtef$ fo burdjgefroren aus." 

„ttein, banfe, Cante £otte." 

Kber fie tvar fefjon hinaus. 

Bernfyart Cevertfyn faß allein unb »artete, 
unb allmätjlid} fdtfen bie frieblidje Stimmung 
bes Zimmers ehvas tvte einen Schleier über ben 
KufruEjr in feinem 3 nnern 3U 3iefyen. Sein 2 Tlit* 
leib mit jt cf) fetbjt tvurbe rveidjer, fentimentater. 
€r fam jt d] auf einmal furchtbar alt vor, unb 
ifyn tvar, als lägen viete 3^^e hinter bem Cage, 
ba er 3um erjienmal an biefem plaße gefeffeit 
Ijatte, bei feiner „verbotenen" Cante. KIs er mit 
jtebsefyn 3 a ^ rcn 3ufäUig erfahren fjatte, tvarum 
jte eigentlich fo verpönt tvar in ber 5<intitie, ba 
tvar er im aufbraufenben (Sefütjl jugenblidjer 
5reijtnnigfeit unb <ßered)tigfeit 3U itjr gegangen, 
um jte feiner Kdjtung 3U verftdjern. Sie fjatte . 



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ifjn gerührt unb freunblicfj empfangen; unb feitbem 
Blatte ifjn biefes Zimmer oft gefefyen; namentlich 
wenn etwas auf feinem f^e^en brüefte. Kber bas 
war immer nur ein Kinberfpiel gewefen gegen Ijeute. 

Die alte Dame fam mit bem Kaffee. 

„So, trinf, mein 3unge, unb bann ersäfyle." 

„Cante," fagte er mit jitternber Stimme, „es 
geht um Cob unb Ceben. Kannji bu mir 3 wei* 
taufenb ZTTarf teilen ?" 

„Kch bu lieber (Sott/' fuhr jte erfcfjrocfen 
3 urücf, „meine Keine Ceibrente beträgt fyunbert« 
f ünfsig ZTTarf im ZTTonat. — bjaft bu gefpielt, 3unge ?" 

„Hein, aber eine (Siirenfadje ift es." 

„€ine €Ejrenfad|e?" 

„tDenn ich bas (Selb bimien wenigen Cageu 
nicht Jjabe, muß ict? mich totfehiefcen." 

Fräulein 3°™s wußte, baß es mit bem 
Sterben niefit fo leicht geht. 2lber Bernfjart 
fpracfi fo fataliftifcfi über 3 eugt, baß es ifjr gan 3 
falt über ben Hücfen lief. 

„€s iff eine fogenannte Ciebesgef c^ic^te. Kußer 
bir hätte feiner oon allen Derwanbten Derßänb» 
nis bafür," fuhr er fort. 

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<2in fünftes tackeln ging um ifyre UTunb* 
winfel. 

„Du meinft, weil meine (Eocfiter feinen Pater 
tjat?" fragte fte Ieife unb einfacfj, offne jebe Der« 
legenfieit. „<Db beine Ciebesgefcfiicfjte nicf}t bocfj 
etwas andrer 2lrt iji? So, wie bie jungen Ceute 
fjeutjutage fein foHen, war icfi bocfj niefit." 

„Um (Sotteswillen, Cante, icfi wollte bicfj 
bocfj nicfjt oeriefeen. 3<*! meife bocfi, bafe bu 
nichts bafür fannjt, bafe ber lump bicfj 3 wei 
Cage r>or ber fjocfoeit ftfeen liefe/' 

„Kernfjart, er war aucfj niefit mefjr als ein 
unglücflicfyer UTenfcfj!" 

„Unglücflicti? €r? — Unb bu — ?" 

„3a, 23ernfjart, icfi habe bas Unglücf moljf 
fennen lernen. Die 5amilie, namentlich mein 
ftrenger Stiefbruber, bein Pater! 2Us icfi micfj 
niefit oon meinem Kinbe trennen wollte, als icfi 
es offen anerfannte ... 3a / bas fiat fiarte 
Kämpfe gefojtet unb oiele, oiele fcfiwere 3<*fy*** 
Uber fief$ bu, jefet bin icfi boefj jufrieben. Klein 
Kinb bat fein (ßlücf gefunben, in feiner <£fje. 
tDas fefjlt mir! Unb wenn man auf fein leben 

\<k 



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3 urüdfiebt, tüte flein einem alles febeint, was 
einen einft jerbreeben wollte, unb wie ^eü jeber 
Sonnenflecf auf bem langen IDege bureb bie 
3ahre berüberleudtfet! Das wollte idj bir fagen, 
Bernbart. Unb nun erjäble." 

„Cante £otte, icb bin in einer per 3 weif eiten 
tage, einer £age, bie jtcb nur ein UTann por« 
ftellen fann. Denn ber männliche €ljrenjianb» 
punft — " 

„Bernbart, Bernhart, ob bu ben männ« 
lieben <£^renflanbpunft nicht überfchäfeft?" 

„21ch, Cante, ich meine ben Kobejr, bas 
äußerliche!" 

„Unb bod) trägt jeher, UTann unb XDeib, 
feine <£h rc inwenbig." 

„3a," fagte Bernhart mutlos, „bas mag 
wohl fein. 2lber was bas mir!" 

„2llfo, was ift es benn?" 

„3^, furj, ich batte ein — ein £iebesper« 
bältnis mit ber Cochter meiner IDirtsleute in 
Berlin. Unb nun bat es folgen. Unb bie 
Eltern perlangen jweitaufenb ZTTarf pou mir." 

„3a, ift bas benn gefeßlich?" 

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„£tein , aber toas Ijilfts mir 1 £>ie Ceute 
tutffen, roarum fte es fönnen. 3<h felbjt h<*& es 
bem UTäbchen gefagt. 0, mar ich bumm!" 

„3a, liebjt bu bas UTäbchen benn?" 

„3ch h<*fo es mir einmal eingebilbet. Uber 
nein, bas ifl uorbei. Sie ijl fo fyabfüdjtig unb 
gerijfen mie ihre (Eltern. Unb ber Bilbungs 
grab . . .1 0er Pater ijt ilicffchufter." 

„Ja, Sernhart, i ch uerftehe bie gan$e Sach« 
nietet. IPas h<** fcabei ber <£^rcnflant>punft äu 
tun?" 

„0 (Eante, Cante," flüjlerte Bernhart, bie 
X}änbe nors (ßejtcht fdflagenb, „es ijt ja bes* 
megen, meil ich papa nichts baoon fagen fann. 
<Er barf nichts baoon erfahren." 

(Ein leuchten bes Perftänbnijfes ging über 
Fräulein 3örns (ßeftcht. 

„3ß bein Pater noch immer fo?" 

„Uch, (Cante lotte, bu meifjt ja, mie er ift! 
Uber bas ijt noch nicht alles. Por einem 3<*h*/ 
bei einer (ßelegenheit, uon ber ich nicht fprechen 
möchte, hat mir papa bas (Ehrentoort ab* 
genommen." 






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„€fyrem»ort! tPas für ein <£ljrentt>ort?" 
„ttie toieBer SdjulBen 3 U machen unB nie 
toieber ein IPeiB 311 Berühren, Bas nid)t meine 
firdjlidj angetraute 5 rau märe.'' 

„Das <£fy:enu>ort? Das f}at er getan? Da 
erfenne idj 33ernfyart toieBer. pfui!" fagte Bie 
alte Dame, unB ifyre Stimme 3 itterte uor Sont. 
„UnB megen eines aBge 3 tr>ungenen (Ehrenwortes — 
ja, idi fage: aBge 3 tx>ungen, Benn idj feitne Ujn — 
wiDU Bu Bir am €nBe nod] Bas £eBen nehmen!" 

„Sei es, wie es mag," entgegnete öernhart 
leife, „gegeben h<*& ich es. UnB er! Schließlich, 
wer felBft fo mafellos ijt, fyat wohl ein Uedtf — " 
„So mafellos!" flüjterte Fräulein 3örns Bitter. 
„21Ber," fuhr jte Bann fort, „gebrochen ijt 
Bein (Ehrenwort. CDB Bein Pater Bas erfährt 
oBer nicht, was fann Bas änBern?" 

„Cante, fag mir, woher ich Bas (SelB nehmen 
fann," flehte Bernhart, „fiehjt Bu, allein .. . 3<$ 
überwinBe es. 3<^ will cs aBBüßen in einem 
CeBen uoH <£rnft. 21Ber papa! 3h™ fann ich 
nicht fo entgegentreten. <Er Barf es nicht er« 
fahren, CieBer (terBen! Siehfl Bu, er fann es 

KI. Bibi. 82 2 

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ja auch gar nicht oerßehen. <£r ift in ber Se* 
3tcf)ung fo rein, — fo unerfahren; mie ein Kinb, 
möchte ich fogen. Unb überhaupt . . 

3 n ba s (Seftcht ber alten Dame trat ein 
harter ^ug. 

„fjaben reine UTenfchen folche klugen?" fragte fie. 

„Du meinß, meil er feinem anbers als im 
^orn bireft in bie Uugen fteht. Das iß neroös." 

„Hein/ 1 fagte 5 räulein 3 örns energifch, „(Sott 
ueräeihe mir bie Sünbe! Uber hier muß ich . . .! 
Uuch ich «nü ein IPort, bas ich gegeben h<*ke, 
brechen. 3<*/ unb ich fürchte mich nicht banor. 
Sernhart, bein Pater h<*t ein fchlechtes (ßemiffett. 
Das mar bei ihm uon Kinb auf über3art unb 
hat ihn hoch nie gehinbert, 3U tun, nx>3u ihn 
feine Segierbe trieb. <£r iß ein armer, bebauerns* 
merter UTenfch. Uber jebe Schonung hört auf, 
mo fo einer gefährlich mirb, gefährlich feinen 
eignen Kinbern. XüiUft bu miffen, baß bein 
Pater noch eine 3t»eite Familie hat!'' 

Sernhart faß mit ßarren Uugen unb offnem 
ZHunbe, ber nur einen unartifulierten taut heruor* 
brachte. 

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„3a, nod? eine 5ratt, toenn fte il]m aud) nid]t 
angetraut ift, unb fünf Kinder. 0, bas ift ein 
tiefes (ßeljeimnis. Unb id} felbft toeifj baoon nur, 
toeil fte einmal in ber X)er3toeiflung 3U mir Fant, 
toie bu Fjeute. €r ift gegen fte oft ebeitfotoenig 
gut, toie gegen eure Ulutter unb eudj. Uttb aud] 
fte f]ielt mid] für bie einige, bie bafür Derftänb* 
nis Ijaben Fömtte. 21 udj er toeijj, toas id] toei§. 
2lls fte einmal fdjtoerFranF n?ar, Ijabe id] itjn 
an itjrem Bette getroffen. Unb ba Fjabe id] ifyt 
toieber fo red]t gefeljen. Hidjt an fte Ijat er 
gebadjt, bie ©ielleidjt in einer falben Stunbe 
tot fein Fonnte: nur an ftd]. 2luf ben Knieen 
Fjat er mid] angefleFjt, midjl Unb roeil fte mir 
leib tat, Fjabe id] iF]tn bamals gefd]tooren, bafj 
Fein Ulenfd] oon mir ettoas erfahren toürbe, 
Unb Fjeute Fjabe id] biefen Sd]tour gebrochen 
unb toerbe es ni d)t bereuen, <5eF] E^irt 3U iFjm 
unb fag ifym, baß bu es oon mir EjafE." 

€in langes Sdjtoeigen Fjer rf d]te im gimmer, 
als fte geenbet Fjatte. Dann brad] BernFjart 
in (tränen aus. Sie fpradjen tool]l nod] eine 
Stunbe miteinanber, er unruhig unb Saftig 



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fragenb, fte Icifc unb milb erHärettb, berutiigenb 
unb ermutigenb. 

* * 

* 

KIs Bernfyart wieber auf bie Strafe trat, 
war er ein anbrer PTenfcfj. Hopfte fein 

fjer 3 in unruhigen Schlägen oor ber Kusfpradje 
mit feinem Pater, aber er trug beit Kopf fyocfy; 
unb feine ^eimatftabt faB? itjn ganj anbers an. 
Dufter wie uortjin ragten bie fjodjgiebligen 23acf» 
jteintjäufer, totenftiH lag ber ^afen mit ben ein« 
gefrorenen Schiffen, melanctjolifd} Hang f)ie unb 
ba ber Schrei ber hungrigen Plöwen, bie auf 
bem <£ife bes Muffes emjtg nadj Paarung fugten, 
unb fdjwer gingen bie IPinterwolfen. Kber ifym 
fdjien alles Ejeßer, beinahe fonniger, als r>or 3 wei 
Stunben. 

PTerfwiirbig! Kam bas oon ber neuen <£r« 
fenntnis, bajj fein Pater ein Cump war? 




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©ae fofWtfcße 



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lüofylausgeriditet ftanb bie fedjjte Kompagnie 
auf bem Kafernentjofe unb erwartete ben fjerrn 
bjauptmann. 

€s mar fjeute ber erfte Cag bes Kompagnie« 
ejersierens, unb bie Befruten ftanben in bäng« 
lieber «Erwartung. £}atte iBjnen boefj bie alte 
BTannfdjaft fdjon feit lange uerftdiert, bajj fie 
babei ifyr blaues Züunber erleben mürben: bie 
Kusbilbung in ber Kompagnie fei bas Sdilimmfie; 
alles, was nadjljer Farne, felbft bie ZtTanöoer, fei 
bagegen bas reinße Spajicrengefyen. 

X?or ber 5r°nt flanb Ceutnant 5^iJjerr oon 
KIsborf, ber ben erjten <3ug führte, unb ftocfjerte 
mit feinem Säbel im Kies, gelangmeilt unb mit 
feinen (Sebanfen gan3 wo anbers. 

„bjerr Ceutnant, ber fyvx fjauptmann Fommt," 

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rief auf einmal ber ^üfjrer bes jmeiten ^uges, 
Di 3 efelbn?ebel Brennfjuber, in fdjarfem 5iü|lerton. 

Der junge ©ffaier rifj feine (ßlieber jufammen 
unb falj nad| bem Kafernentor, burefj bas gerabe 
ber fjauptmamt töraf Bohlen auf feiner biefen, 
fd|u>ar 3 braunen tiefe Ijereingeritten fam. 

„Still ejianb!" 

Der tjerr fjauptmann nafjm bie BTelbung 
gnäbig entgegen unb rief, als er t>or ber erßen 
Botte bes uorbern ^uges angelangt mar, fein: 

„BTorgen, teute!" 

„BTorreraup!" fdjrie bie Kompagnie, mas 
„<5uten BTorgen, fjerr fjauptmann!" bebeuten 
follte. 

„Könnt iljr nid|t fdjreien, laljme Banbe? 
Bocfj einmal! BTorgen, teute 1" 

„BTorreraup!" 

Das (ßebriiH brad| ftdj an ben Kafernen* 
mauern unb fdjien erft langfant r>om BTorgen* 
minbe feitmärts fortgetragen 3 U merben. 

„© je," mifperte ber immer uorlaute ^ornijt 
Bingler, „l|eut raudjt ber Klte feinen guten. 
5 reuts euefj, Hefrutenfdjniggl!" 

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Unb richtig, eine gefdpagne fyalbe Stunbe 
lang Ijatte ber Kompagniecijef an ber Bidpung, 
ber Decfung unb aHerfyanb Kleinigfeiten ju 
rnäfeln; fyier faß ein £}elm fdjief, bort war ein 
Knopf offen ober ein Kuppelfdjfoß „breefig", 
€nblid| fommanbierte er: 

„Blit Seftionen rechts fdjwenft, marfdil" 
Uber in bemfelben UugenblicF Ijieß es audj fdjon: 
„fjalt! fjerfiellt eudj! — fjerrgottfaframentl" 
fdjrie ber fjauptmann ben 5ergeanten Bertfdj 
an, ber ben britten führte, „wer iß bas 
©erbammte Uas im erßen (ßlieb? Vit fünf — 
fedjs — adß — elfte mann? K)ie fyeißt ber 
Befrut mit bem biden Sdiäbel?" 

Sein Säbel jeigte auf einen Solbaten oon 
mächtigem Körperbau mit einem beinahe römi« 
fdjen Kopfe, Über bem grob oorfpringenben 
Kinne grinse jeßt ein großer BZunb ©oH prac^t« 
©oUer ^äfyne, Ijalb bumm oerlegen unb fyalb 
ßörrifdf; bie Meinen Bugen unter ber niebrigen, 
toeit auslabenben Stirn ladßen nidß mit. .Sie 
ßanben rufyig unb ausbrudslos, jeigten aber einen 
<Slan 3 , ber biefem (Seßdjt etwas Bösartiges ©er» 

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lieh; man mußte untoißfürlid? an ben Blicf 
eines Bußen benfen. 

IDährenb Sergeant Bertfch noch burdj 2 lb* 
jä^Ien nach bemSünber fudße, fagte ber Ceutnant: 

„Das ift ber DTayr Ditus, fjerr fjauptmann." 

„ZiraYrl" fdjrie ber, „ßnb Sie ber UTayr?^ 

„ 3 au>ofjI, fjerr fjauptmann!" 

„3an>ohl, fjerr fjauptmann! Der Kerl grinß 
noch! (Srinfen Sie nicht, Sie fjamntel! Sie 
ßnb toohl biimm, tcas? Sergeant Bertfdf, iß 
ber ZHann bumm?" 

„5u Befehl, fjerr fjauptmann. Der Znayr 
Ditus ijt bereits ber aflerbummße t>on bie Be* 
fruten." 

Ditus ZHayr fdjien ßdf hierüber $u amüßeren, 
IDieber 30 g er ben ZTTunb grinfenb in bie Breite. 

„Cadjen Sie nicht!" brüßte ber fjauptmann, 
„Sie pnben bas roof^I fomifch? 3^? fann 3h ncn 
nur fagen, bas iß traurig! IDas ich tuolß t>er* 
brocken Ijabe, baß gerabe id? immer bie bümmßen 
Bauernrammel ausgerechnet in meine Kom- 
pagnie befontmen muß! — Kber id? treibs 3 hnen 
aus! fjaben Sie mich uerßanben, Sie Kas? 

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2X>ir roadtfen nodj 3 ufammen! (Beben Sic blos 
©bac^t! 3 d} fdgeif Sic, bag Sic bie €ngel im 

^immel pfeifen Igoren! Perganben? ZTCit 

Seftionen rechts fdjmenft — marfdj!" 

* * 

* 

Unb ber bjerr fjauptmann unb Ditus UTayr 
„mudifen" an biefem Cage nodj 3 iemlidj oft 
„ 3 ufammen". Diefer machte fo fonfequent alles 
perfekt, bag jener mehrere Ulale bie 5rage auf« 
marf, ob bas „3ngin?t ober Überlegung" märe, 
UIs enblidj mieber tjeim rnarf ediert mürbe, 
rief ber fjauptmann, ber an ber Spifee ber Korn« 
pagnie ritt, ben Ceutnant an feine Seite unb 
tjatte mit itjm eine lange ^uotefprad) über ben 
Hefruten ZTiayr. 

„Sie fennen bie junge Ulannfdjaft ja beffer, 
lieber Baron; mas galten Sie benn nun oon bem 
ZlTayr? 3 g Kerl fo bumm, mie er ausgefg, 

ober marfiert er bas blog?" 

„<£r ig nod? bummer, als er ausgefg, bjerr 
fjauptmann. Uber idj glaub, es mug itjm einer 
gefagt fyaben, beim UTilitär fönnt einer gar net für 



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bumm genug ghalten werben. So bumm, tote bet 
jtch anftellt, fann eigentlich fein HTenfch fein. IDie 
ich ih n s erftemal heim Unterricht gfragt h<*&/ »er 
ber oherfte Kriegsherr mär, h<*f &er 2>epp gfagt: 
Du, bjerr Ceutnant. Unb ba h^h ich natürlich 
lachen muffen, unb bie £eut h<*&en ja {jrab ge* 
brüllt. Ha, unb ba fcheint ber Kerl 3U meinen, 
es ging am heften, wenn er fo weiter macht; 
fchlie§lich tät man hoch lachen, unb ihm gefchäh 
nij. 5chaun 5, X?err fjauptmann glauben ja 
net, u>as bas für Seit gebraucht h a */ &is ich ih™ 
s Sie fagen fiatt m Dujen beigebracht hak 
Unb berweil glaub ich gan3 g»ifj, eigentlich I^at 
er bas fchon am britten Cag gfreffen ghabt. 
Denn fchlau ftnb ja auch bie bümmflen Hauern* 
luber bei uns." 

Der Ceutnant wujjte noch allerlei (ßefchichten 
pon Ditus UTayr, unb fein Dorgefefcter hörte fte 
alle nachbenflich an, bie Oberlippe porgefchoben 
unb pon Seit ju Sei* burch bie Hafe h*fti<5 in 
feinen Schnurrbart blafenb. 

„3efet hab ich ih n h^aus!" fagte er fchliejjj* 
lieh unuermittelt. „Dem Cropfen roill ich* ge* 

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fyörig fyneintreiben. (glaubt benn fo ein ge* 
fdjerter Hammel, er mär fcfjlauer mie idj? U>irb 
ftdf brennen, ber fjerr Ulayr! — 3^1 baitfe 
fefyr, lieber 23a ron." 

* * 

* 

Kuf bem Kafernenfyofe ließ ber fjauptmann 
einen Kreis formieren unb fyielt eine Knfpradje 
an feine £eute, in ber er im allgemeinen bie 
£eifhingen ber Kompagnie bemängelte unb ftdj 
im fpejießen in menig freunblidjer U3eife mit 
Ditus ZHayr befdjäftigte, ber niefit nur ber 
frümmjie unb bümmjte, fonbern audj ber frediße 
unb faulfte Saufjunb märe, ber je bie föniglicfie 
feefifie Kompagnie uerfdjanbelt fjätte. Der Schluß 
ber Knfpracfje lautete: 

„€in folcfier Kerl fann eine gan 3 e 23eftdi* 
tigung umfdjmeißen. £eute, ifjr mißt, baß meine 
Kompagnie im Regiment ben Beinamen ,bie 
jtramme Secfijte' füfjrt. Das ijt ein (Ehrentitel, 
ben mir uns bemafjren moflen. Unb ba 3 u muß 
jeber ein 3 elne mithelfen. Unb menn fo ein faules 
Kas, mie ber UTayr — fefjaut euch bas UTonftrum 

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an, er ladjt noch — wenn fo ein faules Kas 
habet ijt, bas fein folhatifdjes €l)rgefül}l beftfct, 
fo föttnen hie Dorgefefeten allein audj nidjt alles 
machen. Die Kamcrahen müffen fo einem Kerl 
audj hie ZHeinung fagen, energifefj hie UTeinung 
fagen. Die fönneit am meiften haäu tun, has 
folhatifdje €^rgcfü^l in fo einem traurigen 
IHannsbilh 3U meefen. I}abt ifjr midj oerftanhen, 
feute?" 

„IDotleraupl" 

„Ceute, unter her 5aulljeit oon einem folgen 
Kerl müffen hie anhern mit leihen. Der gan3e 
hritte ^ug cferjiert eine Stunhe nadj. — 5 rih* 
webeH" 

„f}err fjauptmann?" 

„Der JKayr Ijat pie^e^n (Eage Kafernen* 
arreft!" 

„Die^efjn Cage Kafernenarreft! Befehl, fjerr 
Ejauptmannl" 

Der hritte <gug tritt an her linfen <£dfe hes 
fiye^ier Kaufes, 5 *ont gegen Sühen, 3um Hadi* 
e^er3ieren an, hie anhern in hie Quartiere, mit 
Keljrt — megtretnl" 



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„5mi bicf), bu SauFopf!" jagte Sergeant 
Bertfd) 3 U UlaYr. 

* * 

* 

Kls ber 5elba>ebel aBenbs Beim Appell bie 
Befehle oorgelefen fyatte, fdjritt er farFaftijdj 
lädjelnb bie 5 ront entlang unb machte r>or Ditus 
ZlTayr fjalt. 

„Da is ja ber ^err ZtTaYr," fagte er 
fdjmeljenb, „lag bid) bodj amal anfdjaun, mein 
Sofytl Du fdjaug ja redjt blilBjenb aus. Das 
freut mid). Unb s fdjeint bir ja gut 3 U gefallen 
Beim Ulilitär, meil bu fo fdjön ladjjl mit beine 
roeigen galjnberln. Sdjau, fdjau, ber £jerr 
UTaYr Braucht ja be pragit net anlegen, toann 
i mit ifym fpric^I" UlaYr Befam einen Schlag 
mit ber SäBelfdjeibe auf bie 5^ger. „Soll id) 
bir am <£nb gar eine Sdjeefelongjd) raustragen 
laffen, bag bus nod) Bequemer Ijaft? Du nieber« 
boarifdjer Stier, bu nieberBoarifdier, id) möd)t 
bir ja gleid) mit alle 3 n?oa tw ben Baud) 
neinfpringen, bag b an ber U)anb pappen BleiBfi 
mit beine Kutteln! Du Cropf, bu miferaBliger! 
pfui CeifU" 



3t 



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Unb ^elbmefcel Uralter ging 3U feinem (Eifere 
3urücf. 

// 3 a# ja, mit bie stpoajäfyrige Dienfoeit," be* 
gann er bann, „in ber guten alten ^eit früher 
is anberfdjt ^ergangen. Uber ba gabs aa nodf 
alte 5 ol baten, ffeut gibts nur mefjr alte unb 
junge Hefruten. Ulte Solbaten gibts nimmer 
mit enfrer 3tPoajäB}rigen Dienföeit. früher bjat 
man fo 23 urfdien tpie bidj gan3 oafacfj nad)fs 
ausm 23 ett gfyolt, bie Decfn übern Kopf, ba§ 
er ni$ Ijat fpannen fönnen, unb bann brauf los* 
gfdjlagen, ba§ il}m bie 5aulfyeit halb pergangen 
is. Unb befdjtueren f|at ftdi fo einer net traut; 
er f)ätt aud} net fagen fönnen, roers grnefen 
is, mit ber Decfn überm Kopf, im Dunfein. 
3a, ja, ber fjerr bjauptmann t|at gan3 redjt — 
blo§ 3U gut is ber fferr bjauptmann, ben J^erm 
^auptmann pon <£fp fjättets erlebn folln! — 
<ßan3 redjt Bjat ber fferr bjauptmann; bas is bas 
fuibattifdje <£f}rgfüll. Uber bas gibts ja nimmer 
mit enfrer 3tPoajäfyrigen Dienfoeit." 

* * 

* 

32 



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Ditus HTayr gehörte $u r Korporalfdjaft bes 
Sergeanten Bertfcb. 3 ™ Zimmer Hummer 
hunbertbreiunb3man3ig, wo bic lag, mürbe fyeute 
abenb tnel unb geheimnisoolt geflüjtert. 

Kls bie Hlannfchaft babei mar, {ich für bie 
Bacht aus3U3tel|en , fam ber Sergeant in ber 
Husgehmontur aus feinem Derfchlage unb lie§ 
fo beiläufig fallen: 

„Dor 3mölft fomm ich ^eut net l|oam. /; Unb 
bem Hefruten HTayr marf er einen Blid 3U, ber 
fagte: 5reu bid?, Bürfchl! 

Don ben Stubentollegen IjÖrte bas räubige 
Schaf ber Kompagnie mancherlei fchnöbe Be* 
merfungen, bie nur mit bem gemöhnlichen (Srinfen 
unb einem flupib oerfchloffenen, böfen Bltcf be* 
antmortet mürben, im übrigen aber mirfungslos 
abprallten. HTayr froch als ber erjie auf feinen 
Strohfacf unb fdjnardjte fdjon, beoor bie Campe 
ausgebrefjt mar. 

Das beforgte jefet ber fjorniji Hingier, unb 
in ber Dunfeltjeit begann bie Korporalfdjaft, 
HTayr nach bem He3ept bes 5 el&H>ebels bas 
folbatifche «Ehrgefühl be^ubringen. 

HI. öibl. 82 3 

33 



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Sie Ratten aber bie Kraft unb <ßemanbtf>eit 
bes Delinquenten bebeutenb unterfcfyäßt. UTayr 
befreite ftd) fefjr halb aus ber DecFe unb ent« 
lebigte ftd] bes fyeftigftcn Angreifers, bes fjornijien, 
burdj einen Fußtritt, ber ben in ben Klagen traf, 
baß er ftöljnenb in eine <£cfe flog. Unb auf bie 
anbern brofdj er mit einer Kraft unb Hücffidjts* 
loftgPeit ein, baß itjnen ber Ausgang ber Hauferei 
fefyr 3u>eifet^aft mürbe. Dermeil mar ber fjornijl, 
ber por 2Dut fcfyäumte, mieber einigermaßen 311 
fidj gePommen. €r richtete ficf] müfyfam an einem 
SdjranPe auf, fyolte einen XDafferPrug aus Stein* 
gut herunter, fdjlidj, immer nodj gePrümmt por 
Sc^mer3, pon hinten an Ulayr fyeran, ijolte meit 
aus unb ließ ben Krug auf beffen Kopf nieber* 
faufen. — Scherben Plapperten 3U Koben, aber 
audj UTayr fdjlug mit einem gurgelnben £aute 
lang fyin. 

Alle ftanben fiarr unb fallen pct? mit bleichen 
(Sefidjtern an. Da ging bie Cur auf, unb ber 5 Ab« 
mebel Pam herein; ein Cidjtjlreif pom (Sange Pfer 
legte ftd} über UTayrs fyngeftrecfte (Seßalt. Das 
gurgelnbe Stöhnen mürbe 3unt (Erbrechen. 

3* 



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„VOas is benn bes für ein SauftatI?" fchrie 
ber 5dbu>ebel. „(Sfchminb einen tajarett» 
Hilfen !" 

<£in HTann lief B^ajlig bauon. 

„VOas is benn bes?" 

„Der Hingier fiat bem ZHayr Ditus ein biffel 
mit m tDafferfrug nauffiupft, unb bo is er 
gleich fjinfdilagn." 

„Hingier, bu bijt aa fo ein nieberboarifcher 
Stier, 2Ulen?eiI ber Hofenfranj unb s HTeffer! 
3ch laß bich untergerichtlich uerhanbeln, ba§ b 
as moafjt!" 

„Schaafhammel, bu Fannft einen grab uer« 
hanbeln laffen!" bachte ber fjornijt bei ftch, mit 
einem Derfuche, ftch innerlich 3 U ermutigen; aber 
bann jtarrte er toieber auf ben am Hoben 
tiegenben, unb feine tippen jitterten. 

„Das jtnb fo bie neumobifchen Suibatten," 
fchrie ber 5dbn>ebel, „fein fuibattifches €hrgfüll 
mehr. meiner <§eit h a & €n Kameraben 

3 fammghalten; h*ut 3 utag h^un ftch bie Hammel 
bereits tot. Dös fag ich euch: auf mi unb ben 
.Eferrn Efauptmann oerfuchts enf net heraus« 

3* 

35 



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3 urebn! €s l*at eudj Feiner angfdjöfft, ba§ iFjr 
ben ZHayr berfdjlagn foHts. Hnb ber Ringler 
Fommt nadj ©berfyaus, trenn bem Kerl tras 
gfdjeljn is. ©afür fiel} id? il|m gut. Sau* 
bagafd}! ©er J^err £}auptmann mirb eine 5reub 
bam! ©es oerfdjanbelt bie Straflijien trieber 
fdjön!" 




36 



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„€ta>as Truftes?" fragte er beforgt unb ein 
wenig geärgert. „Du ntachft fo ein gequältes < 5 e* 
ficht. Kch, muß ich es wirf lieh hören? Du treibt, 
wie fdjrecflich mir unangenehme Sachen ftnb. 
Unb ich brauche bie Stimmung fo notroenbig. 
Seit 5mei Ulonaten h<*be ich nichts mehr 3U» 
fammengebracht. 3^h gehöre eben nicht 3U ben 
Dufeenb'Künftlern, bie fönnen, u>enn fie muffen 
ober wollen. 23 ei mir ijt jebe UTinute ber 
Stimmung mehr wert, als anbern UTalern ein 
3ahr ihres Cebens." 

<£in fchmer3licher ^ug legte ftch um ihre 
UTunbwinfel. Sie fenfte bas Kinn auf bie Brujt, 
um ihn 3U verbergen. Uber ihre Krnte hingen 
fo fchlaff unb »er3u?eifelt / baß er bie Kugen 




megmenbcn mufjte, um il}r ben frifdjen Con ju 
glauben, in bem jte jefet jagte: 

„Kd }, lieber, oerseil} mir nur, es mar fo 
bumm oou mir. <£s ift ja aud} mirflid] gar 
nichts. 3d? meifj nidjt, id} bin aud} fo neroös 
in lefcter &e’\t unb oerliere toegen jebcr Kleinig« 
feit gleid? ben Kopf. <£s mar nid}ts. 2)enf 
uid}t me^r bran." 

Unb jte oerfud}te ein ladjen, bas gan 3 merf* 
mürbig IjerausFam. <£r I}ielt ftd} bie X}änbe an 
bie ®l}ren unb rief abmeljrenb: 

„Sibylle, menn bu müfjteft, mie fd}recflid} mir 
fo ein falfd}cr Con ifi! U)enn bu nidjt lad}en 
fannft, fo jming bid} bod} bitte uid}t baju. Vas 
ifi bas Sdjlimmße." 

Sie fd}toieg, aber il}re tippen 3 itterten oor 
fhtmmen Klagen. Uor Klagen um ifjn. 3fy' 
rüljrte bie liebe, bie barin lag; fte griff leife 
oerfd}auernbe KFforbe auf feinen gefpannten 
Heroenfträngen. Uber nur einen Kugenblicf tat 
bas mol}l, bann fd}merste es. <£r faßte iljre 
f}anb unb führte fie oor bie Staffelei. 

„Siefjfi bu, Sibylle, Ijeute Ijabe id} fte ge* 



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funben, bie Cinie, ouf bie mein Bilb geftimmt 
werben foll, unb bie i d\ (o lange, fo fdimerjlidi 
gefügt I^abe." 

Sie ftieß ein freubig bewegtes „KV' aus 
unb fafy mit begeiferten, t>erf!änbnisr>otlcn Blicfen 
ben feltfam gefdjwungtten Strich an, bem er 
erläuternb mit bem Ringer folgte: 

„Siefyf bu, Sibylle? Sietjf bu es? IDirrfal, 
Hot unb £eib ber ZTTenfd)t?eit, fpifce Hotfcfyreie, 
fleinlicfje 2 tngft! Kber alles glättet ftef], ebnet 
jtef], gleitet hinüber in HuBje, fjarmonie, CriumpV 
Sc^önljeit! ,Der Sieg ber Sdjöntjeit' wirb bas 
Bilb Reifen, wirb es fein. 2)enn in mir ift ber 
Sieg ber Scfyönfyeit. Beftegt ijt alles <£lenb ber 
BTenfdilidifeit." 

Sie fyatte ifjm mit leudjtenben Kugen 3 U« 
gehört. Sie fafy fein Bilb r>or fidt, bas Bilb, 
bas ifyn unter bie <5roßen einreitjen fotlte: nor 
ben klugen ber iüelt, bie ifyn nidtf fannte. 2 )enn 
fte mußte ja längft, was er war, fte allein wußte 
es. £Dofjl ^atte er 5 r«unbe, bie itjn efftatifd] 
bewunberten. Kber was wußten bie! Keiner 
perjtanb ifyt wie fte. 






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2lber als er bann fo ftol$ feinen Sieg über 

alles €lenb ber ZTTenfdjlidjFeit oerFünbete, ba 

« 

mudjs biefes Fleine <£lenb auf einmal mieber unb 
jireefte graue Spinnenfinger nad} iljrer 5reube; 
fie oergafj bie ftetige Selbftbeljerrfdjung, in ber 
fte fo geübt mar. <£in Seuf$er Fant aus ifyrer 
Sruft. 

dEr fufyr auf. 

„EDoran benFft bu? 3^1 3*ige bir bas, unb 
bu — ! ® mie einfam mir fein müffen! 3™ 
leeren £aum müffen mir nadj Seelen rufen, aber 
Fein tDiberfyatl antmortet uns. Caub ijt bie 
Ceere, unb unfre Seele friert in ber Derlaffenfyeit." 

„tiebfter," fagte fte bittenb, „idj mei§ ja nidjt, 
mas idj t^abe. 3^ glaube mirFlidj, idj bin nidjt 
ganj gef unb." 

„KranF millft bu aud] ttodi merbett, jefet, mo 
idj bie 5**ube fo brauche ! 21ber mosu?! 3*fe* 
ift mir bodj alles oerborben! 3^? feE|e mein 
33ilb nidjt mefyr. Du fyajt es 3 erjtört" 

Sie fianb mit 3 ufammengebiffenen ^äfynen unb 
fdjmieg. 2ludj fte mar JjeMjörig gemorben für 
falfdje Corte. „<£r lügt," fprad? es leife unb 

*2 



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Ijart in ifyr, aber fogleicfy antwortete eine anbre 
Stimme: ,,<£r weiß es woljl felbft nid)t." 

Schweigen erbitterte ilpi. 

„3a, madj mir nur Dorwürfe. 3^* ift ja 
bod? alles einerlei. — IDas tjajt bu oorljin ge* 
wollt ?" 

3n ifyr würbe etwas falt. 

„ 3 a /' fagte fte unb Ijob ben Kopf, „es ifl 
wofyl bas bejie . . . 3^1 fann nidjt mefyr, idj 
wei§ mir nidjt metjr 311 Reifen/' 

„Das (Selb!" fagte er bitter. 

„ 3 a, (Selb! Der Hauswirt will bie Ktiete, 
bie tieferanten broljen mit Klagen. Ktles, was 
3U entbehren ift, tjabe idj nerfauft unb nerfefct. 
3d) fyabe nichts mefyr, idj weif} nicfjt, was idj 
tun foH. 3<ft flclic allein; an wen follte idj 
midi wenben!" 

€r ftarrte auf ben Soben. 

„Du braudijt mir nidjt 3U fagen, bafj wir 
bisher i>on beinern (Selb gelebt Ijabe^" fagte er 
enblid}, unb fein (Sefidjt befam einen bösartigen 
Kusbrucf. 

„Sieber," feuf3te jte fdimerjlidj. 

*3 



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„3a, was foll icfi beim tun?' 7 grollte er. 

„lieber, wenn bu bodi mal an beinen Pater 
fdireiben wofltejt!" fagte jte furdjtfam. 

„Hein! Hie! 3^) fann nidit." 

3^r Sdjweigen barauf war ifym unfjeimlidj. 

„Sibylle," fagte er unb griff nadi ilfrer ^anb, 
bie fidi faft unb fdjlaff in feine legte, „Sibylle, 
fdjreib bu nodj einmal an itjn." 

„3d? fann nidit, lieber, idj fann nidit! 5tt>ei» 
mal fjab id? jeßt an ifyn gef daneben. Das er jte 
UTal ljat er geantwortet, 3wifdien feinem Sofjn 
unb ifjm brauchte es feinen Permittler. Das 
3weite UTal fiat er gar nidit geantwortet. tPenn 
bu ilim fdiriebeft — " 

,,3d) fann nidjt, idi fann es nidit. Unb 
überhaupt — fdireiben — ! Sibylle !" Seine 
Stimme befam einen flelienben Klang. „Sibylle, 
eins würbe ftdier Ijelfen. tPenn bu fjinreifen 
wolltejt!" 

„0swalb!" rief fte empört, „bas uerlangjt bu 
non mir, unb bu weißt — beine €ltern Bjaben 
nie etwas uon mir wiffen wollen. IPas f*at es 
mir gefojtet, bie Hriefe 3U fdireiben! Das fann 



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idj nidjt! Das will idj nidjt! 2lUes in mir 
fdjreit bagegen!" 

<£r warf ficf^ mit abgewenbetem (ßeftdjt in 
einen StuEjl unb feufjte laut. 

„<£in Ojeaterfeufjer," badjte fte bitter, unb 
alles in iljr bäumte ftdj auf einmal empor. 

„(Dswalb, reife bu 3U beinen <£ltern, bu 
mußt, es iji beine Pflicht! 3d? fjabe jefet genug 
getan; fo geljt es nidjt roeiter ! #/ 

„Hein, nein, nein!" fagte er falt, „idj fann 
nidjt, bas weißt bu, idj fann midj nidjt bemütigen, 
idj fann nidjt betteln." 

„2lber idj foß . . .!" futjr fte auf. 

„Hemülj bidj nur nidjt um meinetwillen," 
fagte er Ijöljnifdj, „idj bin es wirflidj nidjt wert. 
<£in ZHaler meljr ober weniger in ber UMt! 
£Das liegt baran! 3^1 in Öen 5luß. He* 
mülj bid? nur nidjt." 

„lieber!" fdjrie jte auf. 

„3a, was nüfet alle liebe!" fagte er 
melandjolifdj unb mit einer gewiffen 21ngft, aber 
jagen mußte er es, er fonnte nidjt anbers, „wenn 
jte midi bann tjerausjieljen, werben fte jagen: 






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ben fyctt feine 5rau in ben Cob gejagt, mit 
aller ifyrer liebe!" 

5ie mar bleid) gemorben unb jtarrte itjn mit 
entfetten tilgen an. €r erfdjraf ©or itjrer 
fteinernen Unbemeglidjfeit unb mollte fdjon etmas 
Begütigenbes fagen. Da fam aber plöfcUdj eine 
feltfame Cebenbigfeit über fie. 

„<Sut, idj miß biefy ©on mir befreien!" rief 
fte mit fieuerlofen (Seften unb ftüräte 3 ur Cur 
hinaus. 

„<D, wie idj foldje Sjenen tjaffe!" fagte er 
©or ftcfi tjin. Unb plöfelidj überfam ifjn eine 

Ungjt: „So mar jte nie! Sie mirb bodj nid?t — 
Uber nein! So leicht tut man bas nicfyt, fo 
leidjt nid]t!" 

Unb er trat ©or feine Staffelei unb fdjaute 
auf bie leinmanb unb trauerte um bie Stimmung 
für fein Bilb. 

Die Schritte nebenan maren ©erjtummt. — 
„Sie mirb ruhiger, es tut itjr leib." 

Uuf einmal, unmittelbar fyintereinanber, 3 mei 
Sdjüffe im Hebensimmer, ein bumpfer 5nll, bann 
Stille . . . 






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(Dsmalb fktnb u>ie nerjteinert, atlc Heroen 
3um ^errei §en gefpannt. Unb nun brang ein 
jammernbes Stöhnen herüber, .« I)en unb fyodj tuie 
t>on einer Kinberfiimme. 

3n mahnftnniger ^Ingft ergriff er bie flucht 
aus ber tüohnung, bie Creppen hinunter, unb 
flingelte unb rüttelte an ber Cür bes alten 
Sanitätsrates unten. 

* * 

* 

(Dstualb ftanb in ben äufjerften XDinfel bes 
(Sanges gebrüeft, als ber Sanitätsrat ruieber aus 
bent Schwimmer fam. 

„Cot?" rief er fiebernb. 

Der alte Ijerr neigte fchmeigenb ben Kopf. 

„IDolIen Sie nicht hinein 3U ihr?" fragte er 
enblidj. 

„Hein, nein, unmöglich ! /# fchrie ®stt>a!b mit 
abmehrenb oorgejtrecften f}änben, „ich fann nicht. 
Kch, fjerr Sanitätsrat, ich bin fo fenjttio. <D, 
toie grauenhaft! Hein, feine Hacht mehr in 
biefem bjaufe! 3 n fciefar Stabt! fjerr Sanitäts* 
rat, nehmen Sie, bitte, bitte, bie Schlüffe! ber 



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XPohnung an ftch, bis mein $reunb, bet ©oftor 
IPircfau, Fommt. 3<h benachrichtige ihn. <£r 
mirb alles für mich beforgen." 

<£in fonberbares lächeln, bas eigentlich gar 
fein lächeln mar, utnfpielte bie fchntalen lippen 
bes alten bjerrn. 

* * 

* 

Smei Stunben fpäter fa§ ©smalb allein in 
einem <£ifenbahnFupee unb fuhr feiner Paterftabt 
entgegen. 

© bas (ßrauftge! 3 mm er f a h er fie t>or 
(ich, mie er fie hoch gar nicht gefehlt hatte: 
bleich, blutig, ©ajj fie ihm bas hotte antun 
Formen ! Sein 2Tlitleib mit fleh felber mudjs r>on 
Ulinute 3 U HTinute. Unb enblich brach es ftch 
in einem Cränenfkom 3a hn. 

Vielleicht eine Stunbe fchmelgte er in feinen 
©ränert. Dann mürbe er ruhiger. <£r bachte 
an ben ©rt, ber ihn ermattete, an fein Pater* 
haus. Sein ftrenger Pater! Uber jefct, menn er 
fo anfäme, ein uom Unglücf gebrochener Ulann . . . ! 
Unb feine UTutter! Sie hatte immer auf feiner 



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Seite geftanben. CD, er mußte es, fte mürbe ihn 
tröffen unb pflegen. 

©r badete an fein Zimmer baheim, mit bem 
breiten ZTorbfenfier. Xt>ie fdjön es im Vaterhaus 
mar: fo forgenlos unb befdjüßt! Unb ber Vater! 
3eßt müßte er iBjn hoch fefjonen. ©incit oom 
Ceib geschmetterten martert man nicht mehr. 

Unb feine ©ebanfen gingen meiter. ©r mürbe 
ben Schmerz, bas ©raufen überminben, es läutern, 
uerflären in feiner Kunfi. Unb ba auf einmal 
fianb mieber fein Bilb uot ihm, anbers als früher, 
großer. ©r füllte: jeßt erft mar er ein ganzer 
Künfiler, gereift unb gefiäfylt burch bas Unglücf, 
ben großen Schmerz unb bas ©raufen, ©in be* 
freienber Seufzer hob feine 33ruft. ©r malte ftdj 
3ilber ber gufunft; bie Vergangenheit legte er 
hinter jtch, hink* ftch Ceiche in bem f leinen 
Schlafzimmer im eierten Stocf, auf beren ©eftcht 
ein größerer Künftler bas bleiche Siegel feiner 
UTeifterfchaft geprägt, bie ruhige Cinie bes falten 
Vergehens gezeichnet hatte, in bie alles ©lenb 
ber UTenfchlichfeit ausläuft. 

KI. Sibl. 82 

^9 



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QAßer (ßräßern 




2ln einer Seitenallee bes 5ri<?bfjofes liegt ein 
<J3rab, bas erjt uor fu^ent offen rt>ar. IDo bas 
gelbe €rbreidj uorfdjaut, ijt es »ott ber 2Ttai* 
fonne ausgefogen, Sanbbädjlein jtnb bie fjügel* 
tüänbe fyinuntergeriefelt. 2lber bas meifte bc* 
beefen bie Kränje , braungemorbene 23lunten, 
gelbgraue, fpröbe Corbeerblätter, grüne palm* 
tuebel, mit fcfytoarsen punften gefprenfelt ZTad? 
ber Beerbigung fjat es geregnet, oon bert blinben 
(Solbbucfjjtaben ber roei§en 2ltlasfdjleifen 3 iefyen 
grünliche Albern abmärts. Der Cebensbaum, ber 
fettfamenoeife mitten in bem großen <5rabfyügel 
ftctjt, fjat beim <£ inbetten bes neuen <5ajtes an 
ben I 0 ur 3 eln gelitten. Craurig läßt er fein £aub 
Rängen, beffen (Serucfy ftdj mit bem fjauefj ber 
Krän 3 e mifdjt unb mit bem füfjltdi moberigen 

53 



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Ktem, ber burch bie Cürgitter ber Kotiergrüfte 
fteigt. 

§u Raupten bes (Srabes fleht eine abge» 
brodjne Säule; an ihrem Schaft lehnt ein ge» 
mölbter (Doalfchilb, ben 3 t»ei putten mit jieinernen 
Hofengirlanben fräsen. Kuf bem Schitb oben 
ein IDappen, barunter bie tDorte: „5reiherrlich 
Hrencfenfches Erbbegräbnis". Dann fjeifjt es: 
„fjier ruhen in (Sott", unb es folgen 3 af}lreidje 
Hamen mit (Seburts» unb Cobesbaten. Sie fefcen 
ftch auch auf ben XPänben bes Socfels fort. 

Der Harne beffen, an ben bie 5rau bort auf 
ber Hanf bes Erbbegräbniffes benft, fleht noch 
nicht ba. Tiber ihr Tluge fteht ihn fchon an ber 
Stelle, bie ihm bejlimmt ijl: „Claus ^rei^err oon 
HrencFen, geb. 5. 3nli J867, f \3. TTTai 190J-" 

3a, an einem bre^efpiten unb im THai h<*t 
er ftch erfchoffen. Er h<*t ftch erfchoffen! Kein 
HTenfch t»ei§, toarum. — Httb roenn es einen 
gäbe, fte fönnte ihn nicht fragen. Hientanb barf 
ahnen, bafj fte hierh^rgefommen ijl, an fein 
(Srab. — 

XDarum nur bies? iDarum? XDar er nicht 

5* 



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glücFlidj get©efen? <£in fcfyon beFannter KünfHer! 
€tn tiebling ber ^ucn! €in Slriftofrat, reicfj 
t©oEjl nicty, aber bod] ©or jeber Hot gefiebert! — 
Unb biefes <£nbe! — 

Sie n>ei§ ja, t©ie unglitcFlid? man fein Faun, 
oEpte ftdj bas £eben 3 U neEjmen. Sie t»eif$ es, 
IDie gern taufdjte jte mit iEjm! — Der Cob . . .! 
3fi er nicfyt, beinahe fetjon ©oit iEjrer KinbEjeit 
E)er, immer ein lieber (Sefpiele iEjrer Cräume ge« 
t©efen? Uber jte Ejat pfEidjten . . . 3^e Kinber 
. . . 3™™« E)at jte pflicEjten gehabt. Hur bes« 
Efalb Ejat fte nicf]t fdjon lange biefen bunFeln 
ScEjritt getan, jo benft jte. Unb mögen ba aucEj 
gan 3 , ganj anbre (Srünbe mitfpreetjen, fte fjört 
fte nietet. ZDieber fpielen iEjre Cräume mit Cob 
unb £eben. UTübe ftarrt fte auf bas <ßr ab. 

plö^Eicfj Ejordjt fte auf. <£ine Dame Fommt 
beit tt)e g entlang. — Soll fte fort? Uber es 
t©äre bodj fcEjon ju fpät! Unb es gibt ja fo ©iel 
(Sräber an biefer UEIee. <£r fyat fonft aucEj Feine 
toeiblicfyen Dert©anbten, unb feine alte Hüutter 
trägt Feine feibnen UnterröcFe. — So bleibt fte 
jtfeen. — Die Dame t©irb ©orübergeEjen unb fte 

55 



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am Enbe gar nidjt bemerfcn. Sifet fte bodj ljalb 
ocrbecft oon bem Cebensbaum. 

Unb immer nätjer fommt bas Hafdjeln, burd? 
bas nur Ijie unb ba ein Knirfdjen bes Kiefes 
laut wirb. Unb bann ftocft bie Bewegung, bie 
Schritte werben fcfywerer. — Sudjt fie etwas? 

Uber . . .! X>ie 5rau auf ber Banf tjat bie 
anbre erfannt. Kommt fie an fein <5rab? 3ft 
es bod? waljr, was bie Ceute gentunfelt Ijaben? 
— Er ift ja immer oon frisier Dorfid]t unb 
Bisfretion gewefen in feinen Ciebesangelegen- 
feiten. 

Bie ift t>or bent Brencfenfdjen Erb- 

begräbnis fteljen geblieben unb lieft bie 3Nfdjnft 
auf bem UTonument. Ba bemerft fie auf einmal, 
bafß nod] jemanb ba ift. Sie l^cbt rufyg ben 
Kopf, madjt ein übertrieben 3 erftreutes (Sefidjt 
unb will weitergeljen. 

Uber bie anbre l?at eine plöfclidje bämonifdje 
weiblidje Beugier oon ifirem Sife emporgeriffen. 
Sie tritt if^r in ben U)eg unb fragt: 

„Fräulein pia Sanben?" 

pia Sanben ift erftaunt. Bidjt, weil bie 

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frctnbc Dame fte Pennt, XDer in ber Stabt Pennte 
fte nid|t, bie große Salonbame unb unübertreff* 
lidje DarfMerin tueiblidjer Kanaillen, bie cor 
3 u>ei 3al?ren nodj Pleine Dienfintäbdjenrollen 
fpielte, bis iljr DirePtor feine Siebe ju ibjr unb 
gleidtfeitig ifyr Calent entbeefte ? Unb Jjeute 
reißen ftdj bie erften Cfyeater um fte; r>on ber 
nädjfien Saifon ab ift fte mit einem glänjenbeit 
KontraPt nad) Berlin engagiert. Der DirePtor 
gehört für fte ber Dergangenfyeit an; abgelöfl 

fyat ifyt bie erfte 5inan3grÖ§e ber Stabt, übrigens 

• 

ein junger, eleganter, fefjr gefunber UTann, ber 
bas (Selb fdjon t>on feinem Dater fjer Ijat. 

„Sie a>üttfdicn? M fragt pia unb muftert iljr 
(gegenüber mit in bie fjöfy geworfenem Kinn 
burdj fyalbgefdjloffene £iber. 

Ztlit einem Pinblidjen Blicf ftefyt bie Pleinere 
5rau 3 U iEjr hinauf unb wirb rot. 

„Sie Pjaben (Daus Brencfen gePannt?" 

Die Sdjaufpieleritt 3 ief*t ein leidet belufHgtes 
<Seftcf)t: 

„3a, flüchtig!" Über bies „flüchtig" Pommt 
fo iroitifdj heraus, baß es beutüdj bas (ßegenteil 

57 



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fagt. Denn pia fann bas nuancieren nid\t 
Iaffen, unb audj im leben faßt ifjr fo leidjt 
feine pointe unter ben Cifdj. 

„Sie traben — er fyat Sie geliebt?" — 
5 lefyenb unb bang Hingt biefe 5 *age. 

„£}ö?" madjt pia freunblidj erftaunt. Daun 
fätjrt fte aber fdjneibenb fort: „tDie fomme id* 
ba 3 u, 3 *?nen hierüber 2 lusfunft 3 U geben, meine 
gnäbige 5 rau?" 

„2ld?, idj . . . Per$eiljen Sie, bitte, id} . . . H>as 
muffen Sie nun t>on mir benfen? — 3^? fyabe, 
i di bin ... 3^1 möchte . . . <£ntfdjulbigen Sie, bitte. 
3 d] backte nur . . . 3 ^ n?ei§ felbft nidit . . . 
nichts, mirflid}!" 

fo!" fagt pia, bie Cippen fräufelnb, 
unb lägt einen überlegnen 23licf über bie anbre 
ruanbern. Dann bringt fte bie folgenben tDorte 
mie einen guten 2lftfdjlu§: „5rau <$Elfa Kimmer« 
lein, nidjt n>al|r? (ßeborne uon 23erfotx>ife?" 

Die 2 lngerebete erbleicht unb mirb um eine 
fjanbbreit Heiner, pia aber ift 3 ufefyettbs ge« 
tuadjfen unb roeibet ftdf an ifjrem €rfolg. 

„3a, baran erfenn idj ifpt," fäfyrt fte 

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fort „€inen guten (ßefchntacf t^at er immer 
gehabt." 

„tüoher fennen Sie mich? tDoher miffen 
Sie ? 2ldj, oerjeiEjen Sie mir . . ." 

„Sie Ejaben ihn alfo fo feEjr geliebt?" fragt 
pia ruhig, mit einer getoiffen ZTachftcht 

„Sehr, feEjr unglücflich!" gefleht <£lfa 

gefühlvoll unb faffungslos unb fieEjt mie ein 
fleines UTäbcEjen aus. „Unb bies alles ift fo 
fdjrecflidi bunfel unb rätfelfyaft, unb ich barf ja 
feinen fragen, unb barum . . . Uch, ich möchte fo 
gern recht, recht viel . . . UHes möchte ich *>on 
ihm toiffen. Unb barum erlaubte ich mir . . . 
2lch, ucr 3 eihen Sie nur!" 

pia mujlert bie 3 ittembe hübfdje 5rau mit 
alles burchbringenben Kennerblicfen, unb babei 
roächjt in ihren Uugen eine unreine <5lut; auch 
fte roirb r»on ber feltfam lüjternen weiblichen 
XTeugier gepaeft. Hiebt was biefe 5rau ihr er* 
3 ähten fönnte, reijt fte; bas 2X>ie ift es. 

„3ch foH 3h^en alfo von Hrencfert unb mir 
erjählen?" fagt fte. „IDiffen Sie auch, mas Sie 
bamit von mir ©erlangen? 0, mehr, als Sie 

59 



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afyten Fönnen! Uber fcfyön! 3fyicn sulicbe miß 
i d\ es tun; unb i d\ ficUc nur bie eine 23ebiugung, 
unb Sie merbett bas uerjie^en: Sie muffen mir 
3 uerff alles t>on 3 ^ ncn unb ifym ersähen !" 

„tüofyer miffen Sie . . . ? 3^7 fyab audj 

mirFlidj gar nichts $u erjäfffen!" 

„Sie fefyen ja, i dj mei§! Unb bas iff 
meine 33ebingung," fagt pia, fdffebt itjren unter 
5rau €lfas Urnt unb 3 ietff ffe 3 ur 23anF. „£Dir 
fefeen uns Heber! UTir Fönnen Sie rutffg alles 
fagen." 

Die Fleinc 5rau märe am Iiebffen meit fort. 
So bidff brängt ffd} bie Sdjaufpielerin an fie, 
ba§ ffe beutfiefy fpürt, mie bie Utem 3 Üge erregt 
unb gteidffani Reifer burdj beren Ceib gefyen. 
Uber ffe magt nidff, u>eg 3 urücfen; fdjmeigenb unb 
mie tjypnotiffert ffarrt ffe auf pias 5 u§, ber ffcf] 
in meißfeibnem Strumpf unb tjeßgrauem Sd]ut] 
mit grünem fjaefen tjerausforbernb präfentiert, 
obgleich 5 *au <£lfa it]n etmas 3 U gro§ unb 3 U 
breit ffnbet. 

„Ulfo Sie ffnb feine 3 u 9 *nbgeliebte?" ffflft 
iljr pia. 



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„(Beliebte?!" ruft bte f leine 5 rau entfett. 

„ TXa , ja, ja, ich meifj fchon. <£r mar immer 
ein fefjr oorftchtiger bjerr, ich fenne ihn ja. 
Uber fo auf ... ZIa, barauf fommt es ja auch 
nicht an, finbe ich menigftens. U)ir Stauen . . .!" 
Sie bricht ab, ftebjt ihre Barbarin lauer nb uon 
ber Seite an unb fährt fort: „Uber Sie Ijaben 
immerhin hoch manches mit ihm erlebt, mas 
junge ZHäbchen für gemöhnlich . . 

Sie fteht, bafj ber anbern bie Cränen nahe 
ftnb, unb fragt ftch im füllen, ob fte es nicht mit 
einer gan3 gemöhnlichen Pute 3U tun höbe. Uber 
bas Schmeigen mirb brücfenb, unb fo briebt fte 
es mit einem: 

„Unb bann?" 

„Unb bann mar es oorbei." 

„U>eil Sie ©erlangten, er follte Sie b^iroteu, 
beuor . . ." 

„fjätte icb benn anbers formen? Bebenfen 
Sie boeb auch meine (E^iehung! Unb überhaupt! 
Unb er! <£r blatte ja recht! <£r fonnte ja noch 
gar nicht beraten. So jung . . . Unb bie 
Ztlittel fehlten. Unb fo fam es 3U einem 



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Streit. Unb er mürbe fo böfe. Unb bann mar 
alles oorbei." 

w 3a, fo jtnb biefe UTänner!" fagt pia; aber 
es liegt fein ^orn in biefen Porten, fonbem 
eher ein gemiffes UTitleib, eine oerachtungspolle 
Betrachtung bes gansen <SefctiIecf 7 ts oon oben 
herab. 

„Unb fpäter haben Sie bann 3hren UTann 
geheiratet . . .?" 

„3ch mußte . . .! UTeine UTutter . . ." 

„. . . unb ftnb recht unglücflich gemorben." 

„tüoher miffen Sie afles über mich?" fragte 
5rau <£lfa jitternb. 

„IDoher mof}l? — Unb ich uerjiehe bas ja 
fo gut. Sie mußten gan 3 befonbers unglücflich 
merben. Sie mußten ja fchon fo mancherlei, mas 
anbre 5rauen, bie jung unb unfchulbig einen 
ungeliebten U7ann heiraten, melleicht nie lernen. 
3ch uerjichre Sie, meine gnäbige 5rau — ich 
meiß bas — überhaupt unter hunbert faum eine. 
Sie aber mußten, mas Sie entbehrten. 3<h be* 
greife bas alles , mir ijt nichts UTenfchliches 
fremb. 3^h begreife auch fo flar, baß Sie babei 

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alles vergeffen mußten, h> 03 u 3h** €r$ie^ung 
Sie verpflichtete. — 3^h n>eiß alles: Sie hoben 
gefchrieben, Sie, bie 5rou eines anbern 
ZTTannes, bie UTutter feiner Kinber, Sie hoben 
ftch iljm angeboten, oft!'' 

5rau <£lfa reißt ftch los unb fpringt auf: 
„tOoher tviffen Sie , . 

„natürlich von ihm. <£r liebte es, mit 3h^” 
Briefen 5*uer an 3 umachen. nicht ettva im Ofen, 
oh nein, er betvahrte fte gut auf. — Ha, er 
mar überhaupt ein feiner Ulann! T>as fag ich 
ruhig h^ r on feinem (Srabe." 

„Sie hoffen ihn!" ruft frou <£lfa unb rvirb 
tveiß im (Seftcfjt. „IO03U ftnb Sie h^rgefommen?" 

„Um bas ftchre (Sefüht 3 U hoben, baß er tot 
ijt 5inben Sie nicht auch, baß man bas bei 
einem UTenfcheit eigentlich nie hot, bevor man 
an feinem Sarge ober feinem (Srabe gefianben 
hat?" fagt pia gelaffen unb fiemmt bie Spifee 
ihres Sonnenfchirms gegen eine ber Ketten, bie, 
fejtonartig an Steinpflöcfen aufgehängt , bas 
Brencfenfche Begräbnis um 3 äunen. Unb rvährenb 
fte meiterfpricht, fefet fte bie Kette in fchaufelnbe 

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Semegung. Das gibt ein tfchieffenbes (Seräufch, 
bas fte nicht 3U hören fcheint, mährenb es 5rau 
Eifa fajt noch mehr peinigt als ihre IDorte. 

„3ch haffe i*in übrigens nicht," fagt fte, „bas 
mag einmal gemefen fein, aber es ift längft 
porbei. 3^h habe ihn feit lange nur perachtet, 
weil er . . . 3a, i<h miH ihm feine Bjeroorragenb 
männlichen Eigenfchaften in mancher 33 ejiehung 
gar nicht abftreiten, aber im (Srunbe mar er 
mahrhaftig fein ZTCann, fonbern ein 3ämmerling 
unb Feigling 1" 

„Das ift nicht mahr!" ruft 5 ran €lfa unb 
ift felbft gan3 erftaunt über biefen Einfall pon 
(Energie. 

Pia beantwortet ben Eimpurf nur mit einem 
Seitenblicf unb fpricht weiter. 

„Das haben Sie an ihm erfahren, bas hab 
ich an ih m erfahren — " 

„Bitte, ich — /' fällt 5 rau Eifa, fchon micber 
3aghaft, ein. 

pia 3ucft ungebulbig unb mitleibig bie 2lchfelit: 

„IDir ftnb eben fehr perfchieben poneiitanber." 

„3a l" XDeiter fagt bie f leine 5rau nichts, 

6 * 



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aber es liegt mel UusbrucF unb eine gait 3 e <5e* 
banFenreihe in biefer einen Silbe; unb pia ijt 
nicht bumm, jte cerjtetjt fehr leicht. €in menig 
geregt jagt jte: 

„Sie müffen miffen, ich bin auch aus recht 
guter 5amilie unb h c ifje eigentlich felbftüerflänb* 
lieh nicht pia Sanben. Das hört man bem 
Flamen ja mohl auch an. — 3^h war genau 
fo ein unfchulbiges junges UTäbdjen, als ich ihn 
Fennen lernte, mie Sie. Unb ich war beshalb 
auch noch fo bumrn, bafj ich &aoon geröhrt mar, 
menn er jtch bei ber ganjen Sache fo ängjHich 
unb oorfichtig jeigte. Denn mie junge UTäbchen 
nun einmal jtnb ... ich bachte, um meines Hufes 
roillen märe er fo. — Uber bann Farn bie ^eit, 
mo es jtch Flar ermies, an men er immer nur 
bachte. 3ch ♦ ♦ • Ha, Furj unb gut, bas UnglücF 
moflte es, es 3 eigten fich 5olgen bes Derhältnijfes 
an. Ha, es ift ja (ßottfeiban! fpäter anbers 
geFommen. Uber ba hätten Sie 3hren lEraum, 
3h^en romantifchen gelben fehen f ollen l Hur 
an ftch hat er gebacht, an jtch; nnb mas feine 
gejtrenge, bigotte 5rau UTama fagen mürbe, 

Kt. »ibt. 82 5 

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unb . . . Unb . . . «Einerlei! Don 5tunb att mar 
idi fertig mit itjm." 

pia fdjmieg, audj 5rau €lfa magte nidjts 
ju fagen. €in IDinbfiofj fufyr burd] bie Kränje, 
unb if)r töerafdjel flang unfjeimlidi in ber Sonnen» 
jtiHe bes UTittags. Dann fefete pias Stimme mit 
metallifdiem, in feiner 5alfd$eit oerlefeenbem 
Cone mieber ein: 

„Seljn Sie, idi fjabe midi fjerausgerappelt. 
€iner fingen bient alles sum Hufcen. ZTTein 
Calent tjat bie Derjmeiflung geförbert. Unb ofjne 
ifyn . . .? VOz r meifj! 0b idj bie Ceibenfcfjaft 
je fo fennen unb barfieüen gelernt B|ätte?" 

„tDarum Raffen Sie itjn benn bann? 23is 
ins (Srab hinein ?" . 

pia Iad?t rauf} auf, unb als fte antmortet, 
flingt in ifjrer Stimme ein editer Con non falter 
U)übf}eit. €s iß ber Con, ber fo redit eigentlidi 
Ujren «Erfolg auf bem Cfieater gemadit fjat 

„Pe^ietien ftnb ifjm besfjalb bie Cage uon 
bamals nodi lange nid)t. — ffeimgejafßt fiab 
idis iBjm, aber oergeffen . ♦ .! Ztie! — 0, als 
er mieberfam! £Die er gebettelt unb gefleht f}at! 

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£Die ein Kinb Ijat er geweint; unb ich hab ihn 
ausgelacht!" 

„f^at er jtdi 3 fyrettoegen bas leben ge* 
nommen?" jlüjiert 5rau <£lfa. 

„3dl meijj nicht," fagt pia geheimnisvoll, 
„aber es wirb wohl fo fein. Die brei (Lage 
nach feinem Cobe ift er mir erfdjienen." 

„€rfchienen?" 

„3a, auf bem 5n§enbe meines Bettes fa§ er 
als (ßerippe, aber mit Iebenbigeu Uugen. Unb 
an benen hab ich ihn erfannt." 

„<Bibt es bas bemt?" fdjreit 5rau <£Ifa 
frampfhaft. 

„(Bern ijjj," fagt pia mit einer (Belaffentieit, 
als hanble es ftd} um bas alltägliche Ereignis. 
„3dl habe auch ben profeffor Seybott, wiffen 
Sie, ben befannten Spiritiften, gefragt. Der hält 
es für fehr möglich." 

„U>ie haben Sie bas nur überleben fönnen?" 

„^nerjt hab ich midi fchrecflidi gefürchtet. 
Uber profeffor Seybott fagt, bie (Beifter wollen 
einen nur erfdireefen. Cun fönnen fte einem 
nämlich nichts. Unb wenn man es mit ganjer 

5 * 

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Kraft txnü , müffen ftc and] fortbleiben. — 
llnb er ijt bann and) nicht mehr gefommen. — 
Uber menn er auch fommt, ich fürchte mich 
nicht." 

5rau cEIfa fdjlägt bie JEjänbe Dors (ßefxd)t unb 
bricht in Schlüßen aus. 

Sie ijt bod) eine gan3 gewöhnliche pute, 
benft pia. Die Sache fängt an itjr langweilig 
3U werben. 

„leben Sie wohl, meine gnä 5 rau," fagte 
fte, „unb meinen Sic nicht. <£r ijt es nicht 
wert!" 

Dann raufcht fte baoon. 

5rau <£Ifa blidt % betäubt unb bod) mit 
einem 3itternben 3 ntereffe nad). IDas für einen 
eigentümlichen Chic fte hat, wie h cr ausforbernb 
ihre Höcfe fchmanfen! Xtein, aus guter Familie 
ift fte jtcherlid) nicht, aus anftänbiger Diel« 
leicht, aber was man fo wirtlich gute Familie 
nennt . . . ! 

Unb biefer (ßebanfe fcheint für bie Heine 
5rau beinah etwas Cröftlidjcs 3U haben, plöfc* 
lieh aber, gerabe als pia um bie <£cfe Der* 

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fchminbet, fährt jte 3 ufammen unb flüjtert mit 
unnatürlich großen 21ugen uor jtch hin*- 

„Sie fürchtet jtch nicht 1 — Unb ich werbe 
Feine ZTacht mehr fchlafen fönnen. 3 m mer wirb 
bas (ßerippe auf meinem 33ett jtfcen mit feinen 
lebenbigen Uugen!" 




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1 



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©u (ßnffoßuwj 



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{ 



< 



I 

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„Uch ja, 5ri& bas müffen Sic mir erjähfen," 
jagte bie (Sräftn fehr gejpannt; ihre Uugen 
gingen fenfationshungrig an ben tippen ihres 
(Begenübers, 

Der junge UTaler fah fie an, [eine (Sönnerin 
unb Bejchüfcerin. 3« folgen UTomenten fonnte 
bie alte Dame noch recht paffabel ausfehen. Diefer 
Uusbrucf ber Uugen . . .! Unb mie ihr eisgrauer 
fjaarhelm über bem formalen, fcharfen (Befiehl im 
tampenlicht leuchtete! <£r befchlo§, jte als 
Ulittelpunft eines Bilbes 3 U uermenben. Um eine 
grausliche mar ber KünfHer nie oerlegen. 

„Climacterium" märe ein guter (Eitel bafür. Die 
(Bräfin als 2 lft (hier grinfte er innerlich), unb 
um jte h cr um allerlei bejiialifche Ungeheuer, bie 

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fie mit fort fonberbarfien 5oltermer?3eugen mal» 
trätierten. Ha, bas ergab fich ja oon felbft. 
Das formte er. 

„Da ifi eigentlich nicht oiel su ersähen," fagte 
er bann. „Sie h^6 Beate unb mar eigentlich 
fehr häfeiidj. 3dj 9m<J eines fchönen ZHorgens 
in ZTTünchen burch ben ffofgarten. Da ich £uft 
auf ein (Sias Sherry uerfpürte, fefete ich mich 
an einen Cifch, an bem fchon 3u>ei Damen 
faßen, eine ältre unb eine jüngere. — ,Die 
Damen geftatten?' unb fo meiter. 2 luf einmal 
jtanb bie 2llte auf unb oerfchmanb. Sie gehörte 
gar nicht 3U ber anbern. 3d? blieb nun mit 
Beate, bas mar fie nämlich/ fifeen, unb mir 
Famen ins (Sefpräch. IDas man fo er3ählt. Sie 
mar aus Begensburg unb fiubierte in BTünchen 
Blufif. 2lls fie gehen moUte, erlaubte fie mir 
3uerft nur, fie bis ans f^ofgartentor 3U begleiten. 
Dann burfte ich «och ein Stücfchen mitfommen; 
mir gingen burch Öen englifdjen (Sarten bis 3um 
Bumeifier. Unb abenbs maren mir noch immer 
beifammen unb faßen im Batsfeller. Da er* 
3ählte fie mir beim, fie märe bie Cochter eines 

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tPoBjBBjabenben ^abrifanten in Uegensburg. — 
,lDiepiel befommen Sic benn bodj mit?' fragte 
idj. — ,So genau fann idj bas nietet fagen. 
2Bber über fyunberttaufenb ZHarf jtnb es fidler* 
lid?* Unb bann Bjab idj nodj einen ®nfel, 
pon bem erbe idj ein Canbgut, bas fidler audj 
3 u>an 3 igtaufenb ZTlarf rnert iji.' — ,2Ufo moflen 
mir uns perloben, ‘ fagte i cB}, benn jte Blatte mir 
fdjon ben ga^en Ubenb pon ben 5**uben bes 
5umilienlebens porgefdtmärmt. Hun mar id} 
perlobt, Beate faufte gteid] am anbern Cage 
3 mei Perlobungsringe. 5ür fünfunbpier 3 ig UTarf, 
fagte jte. 2lber bas mar ein gan 3 gemeiner 
Sdjminbel. Penn als id} meinen f pater per* 
faufte, B|ab id| nur fieben ZHarf fünf 3 tg bafür 
gefriegt. Beatens Pater gab fdjriftlid} feinen 
Segen, unb idj ging nun als Bräutigam Bjerum 
unb er 3 ät)lte aßen Befannten pon ber (Sefdjidite 
unb Bub fie fdjon auf mein Canbgut ein. Unb äße 
moflten Beate feBjen unb faBjen fte unb munberten 
ftc^ unb gönnten mir mein (ßlücf. 

2lber als nun bie Serien anfingen, fuBjr Beate 
nadj fjaufe, unb bie Befannten machten jidj nun 

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ein Vergnügen baraus, mir 5löh* ins CDJjr 3U 
fefeen. 3<*l foDte hoch nach Begensburg reifen 
unb mir bie ^antilie näher befehen. Unb ba ich 
gerabe ein Bilb uerFauft unb infolgebeffen ein 
bißchen (Selb hatte, fchrieb ich an Beate unb 
fuhr hin. (Es war eine fcheufjliche £}iße. — 
Beate ermattete mich am Bahnhof unb minFte 
mir auffällig $u, mas mir gar nicht paßte. Buch 
bie BillettFnipfer unb fo roeiter fallen mich fo 
interefjtert an. 3<h mar bafyer jiemlich Fühh 
als Beate auf offnem Bahnfteig 3ärtlich merben 
moßte. — IDir gingen burch bie Stabt, unb 
gingen unb gingen, bis jte eigentlich fdjon auf« 
hörte. — ,3a, mo führji bu mich öenn B?in 
fragte ich. — ,£iebfter, es Fommt gleich, mir 
finb gleich ba. 1 — ,Uber ba Fommt hoch gar 
nidjts mehr?' — ,Sieh hoch, ba, bas ift unfer 
^aus/ fagte Beate etmas Fleinlaut unb jeigte 
auf ein Fleines, jämmerliches Räuschen. ,Uch 
bu lieber (Sott!' badjte ich. Bus Öen anbern 
Jütten runb hemm fchauten bie £eute uns furcht- 
bar neugierig an. 3<h machte mich beshalb t>on 
Beate los, bie ftch in meinen Urm gehängt hatte; 

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im übrigen befdjloß id], möglichft oornehm in 
meinem Auftreten 3U fein, unb mar t>on Anfang 
an fehr fül)l gegen meinen Sd)u>iegert>ater, ber 
mich in ber fjaustür mit ben IDorten empfing: 
„IDillfommen in Begensburg, unb nehmen Sie 
»orlieb. IDir ftnb nur einfache Bürgersleute, 
aber mir ftnb fehr für bie Kunft. 1 — ^uerft 
tränten mir Kaffee. <£s mürben fo bie Beben 
gemechfelt, mte fte in foldjen fallen üblich ftnb. 
3d] mar äußerft 3ugefnöpft unb erflärte bas 
bamit, baß bie Beife mid) fo fehr angegriffen 
hätte. 3^h ^äre furchtbar neruös, mas meinen 
Schmiegereltern ftd]tlid] imponierte. — Bad] bent 
Kaffee fagte id], id] mollte gleich ein paar tt>orte 
unter oier Kugen mit meinem Sd)n>iegerr>ater 
fprechett, benn id) müßte unbebingt an bemfelben 
Kbenb ttad] BTündjett 3urüd. Kber bas mollten 
bie Schmiegereltern burchaus nicht bulben: erftens 
hätten fte fd)on alles 3um Kbenbeffen gerichtet; 
unb bann hätten fte im Bad)barhaufe bei ihrem 
5reunbe, bem föniglidjen 5unftionär Dingsba, 
id] meiß nid]t mehr, fd]on ein Zimmer für mich 
gemietet. »Denn Sie merben begreifen, als Der* 

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lobte in einem JF]aus, bas tät ft di nidit fdiicfen. 1 
Unb fdiliefjlidi ginge and] Fein uernünftiger £ug 
meFir ljeute Ubenb. — ,2Ufo bann morgen gan 3 
früh! Uber länger unmoglid}!' — IDir gingen 
alfo, 33eate, ber Sdimiegeruater unb id?, ins 
HadibarFiaus unb auf mein Zimmer, bas übrigens 
gatt 3 nett mar. 0ben bat idj 3eate, uns allein 
3 U laffen, unb Fjatte bann eine emftFjafte Uus* 
einanberfe&ung mit meinem Sdjmiegeroater. ,SeFjn 
Sie/ fagte idj, ,F}err HeijbocF, Sie muffen midi 
nidit falfd] oerfteFjen, idj fpredie oiel meFir im 
3ntereffe 3h* er Coditer als in meinem. 3^ 
bin gan 3 mittellos unb bin KünjUer, unb 3 u?ar 
Fjulbige idj einer feF|r mobernen Hiditung, einer 
fefyr mobernen/ — ,£fm/ machte f}err Heh* 
bocF. — ,3dl meijjj mirFlid} nidit, mann bie &\i 
Fommen mirb , mo meine Silber oerFäuflich 
merben, unb idi Fann mir balier nidit bie Sorge 
um eine 5<*milie auflaben, ofyne gemiffe (ßarantien 
3 U Fjaben/ — Natürlich, natürlidi/ nicFte mein 
Sdimiegeruater. ,Ulfo, nehmen Sie mir bie 
drage nicht übel, mieoiel beFommt 3h** Codjter 
eigentlich mit? 1 — ,3a, fdiaun S, ^err 

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X 



Sdjteiegerfohn, ba brauchen Sie nichts ju fürchten. 
IDir ftnb einfache Bürgersleute, aber für unfre 
(Tochter tun wir alles/ — ,3 a, ja, fdjön, aber 
toieeiel benn ungefähr?' — ,3a, teenn man 
fo alles 3 ufammenrechnet, bas fjaus unb bie 
Schreinerei, unb bie UTafchinen unb lOerfjeuge, 
breifjigtaufenb UTarF ijt bas leicht teert. Unb 
baeon beFommt meine Cochter einmal bie Hälfte/ 
— ,3a, aber eerehrter ^err — !' fuhr ich auf. 
Blein Schteiegereater unterbrach mich: ,3ch Fann 
ja leicht auch eine JEjypotheF aufnehmen auf bas 
Unteefen, ein paar taufenb UTarF geb ich meiner 
(Tochter immerhin gleich mit/ — UTir fiel etwas 
ein: ,Uber Beate erbt hoch noch eon einem 
(DnFel? <£in Canbgut? tDieeiel iji bas benn 
teert?' — ,Uch bas? Bein, ber £}of ij! eiel* 
leicht 3 n?eitaufenb UTarF teert. Uber ber UTann 
ift erß fechsunbbreifeig unb hat vor fechs UTonat 
ein junges UTäbel geheiratet/ — ,3a, fjerr 
Behbocf, teenn ich fcas geteufjt hätte! Dann ifi 
es einfach unmöglich. €s ift gan 3 unglaublich. 
Unb toas ich für Auslagen mit biefer Beife 
gehabt habe! Die hätte ich mir fparen Fönnen. 

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Beate tjat mir ersäht, fie befäme hunbert» 
taufenb XTCarf mit. Da tjat fte alfo gatt3 gemein 
gelogen/ 

£)iex öffnete ftch bie Cür, unb Beate, bie 
übrigens eigentlich Berta hi?& mie ich unterbeffen 
erfahren h^tte, rief fchlud^enb h^ein: , 2 lber 
Dater, bu h^jt mir hoch felbft gefagt, baß ich 
fo oiel mitbefommel' — Der 2 llte fchmieg. Unb 
Beate jtürjte fleh heulenb an meinen fjals. Sie 
hatte bas alles nur aus fiebe getan, unb fo 
meiter. 3 ^ hlieb aber fehr falt unb beleibigt. 
Schließlich fchlug fte mir oor, fte mollte mir bie 
Stabt 3eigen, unb ber 2 llte fagte, trenn mir um 
fteben 3um Ubenbeffen fämen, märe es grabe 
recht. — Sie fönnen fleh benfen, baß Beate fleh 
auf bem Spa3iergang bie ^unge munbgerebet 
hat, unb baß es nichts half. — Die Stimmung 
beim Ubcnbeffen mar fehr gebrüeft. namentlich 
Beate meinte bie gan3e &it unb fagte fein IDort. 
Uußerbcnt mar je&t noch ber Sohn bes Kaufes 
ba, ein junger 2 Tlann ohne befonbre Kenn3eichen 
unb mit einem (Summifragen. Uufgetragen mürbe 
eine Schüffel Kalsbraten, am <£nbe lagen 3met 

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gebr atne Cauben. 3 <h sollte mir ein Stücf 
Braten nehmen, aber ber Ulte fagte: ,Das gibt 
es nicht; mir miffen, mas fiel? fdjicft/ unb fpießte 
bie eine Caube auf bie (Sabel unb legte fte auf 
meinen CeHer. 3^? follte auch noch bie anbre 
effen, hatte aber genug. — UMhrenb bes €ffens 
lief eine Kaße im Zimmer Ijerum. 3 <*? büefte 
mich einmal unb ftreichelte fie. UTein Sdjmager 
mit bem (Summifragen fetjien 3U meinen, ich be* 
fcfjäftigte mich irgenbmie mit ben 5üßen feiner 
Schmefier unb reefte neugierig feinen £jals, mäh* 
renb mein Sdjmiegeroater berfelben Knftcht mar, 
aber bisfret $ur Seite fchaute, — (Sefprochen 
mürbe nicht »iel, unb ich ging halb 3U Bett. 
UTein Schmiegeroater oerfprach mir, mich am 
anbern UTorgen um fechs 3U mecFen. — 3^b 
fcblicf herrlich unb mar gerabe beim H)afchen, 
als ber Ulte anflopfte. 3 ^b beftfee ein großartiges 
Bachthemb, bas ich mitgenommen batte, um ber 
Familie meiner Braut 3U imponieren. Schnell 
30g ich es mieber an, beoor ich bie Cür auf» 
machte. Unb bann gab ich niich einer Körper* 
pflege hin oon einem liebevollen €ingehen ins 

HI. Bibi. 82 6 

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Detail unb einer Kusführlichfeit, ba§ ber Klte 
Kiunb unb Bafe auffperrte. Kls ich fertig mar, 
tranFen mir Kaffee unb gingen 3um Bahnhof. 
Doran ber Schmiegeruater unb ber Schlager, 
beibe tjeute fdjon mieber im KrbeitsFoftüm, nur 
ba§ fie ihre Sonntagsröcfe barüber anhatten, 
hinterher ich mit Beate, jte meinenb, ich tröfienb 
unb non ber treuen 5reunbfdj<*ft fpredjenb, bie 
(ich hieraus entmicFeln Fönnte. — Kuf bem Bahn» 
hof »erfchmanb ich einen Kugenblicf unb Faufte 
mir einen ^ufdjlag für bie 3meite Klaffe. — 
Der BiflettFnipfer Hopfte meinem Schmiegeroater 
freunblich auf bie Schulter unb fagte: ,Khem, 
ba fdjeint ja mas 3ufammen3ugehen.‘ — 3<h 
ftieg gleich ein unb fefete mich uornehm unb 
mübe fyn, bie 5ü§e in bie Heifebecfe gemicfelt. 
Klein Schmiegeroater 30g ein päcfdjen in ^ei* 
tungspapier aus feiner ^intern Bocftafche unb 
reichte es mir burchs Kupeefenfter. Die anbre 
Caube uon gejtern abenb mar barin. — 3dj 
banFte matt unb rührte mich nicht Die Beife 
hätte m ich 3U fürchterlich angegriffen. — Kber 
als ber 5ug meggegangen mar, fchmi§ ich bie 



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DecTe fort unb machte einen fuftfprung, meil idf 
biefe (ßefdiidjte los mar/" 

Dev junge ZTlaler fd]mieg. 

„© biefer Schlamm, biefer Schlamm!" feufjte 
bie <5räfin in oerjücftem (SEntfefeen unb falj iljn 
mit erfdjauemb järtlidjen klugen an. 




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ein a6|c0trtefef< 



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profeffor pamel 3 n>anytfch Schtyfin farn »on 
feiner Braut. Drei £age noch, unb fte mürbe 
feine 5rau fein, pamel 3 tt>a «Y^ konnte ftdj 
feine €tje mit ihr nod] nicht recht oorftellen. 
(Sott, fte mar ja reijenb, nein, rei3e?tb mar nicht 
bas IDort für fte, fdjön mar fte auch nicht, mie 
fat] fte eigentlich aus? Don einer originellen, 
djarafterooHen Qübfd)h«it mar fte. <D]arafter« 
doU, ja bas mar bie <ßefd]id]te, bie pamel 
3u>anytfch 3U benfen machte; benn fo gern er 
fid] felbft hatte, biefes Attribut legte er ftd] auch 
in feinen ftol3eften Stunben nicht bei. XDer mürbe 
in feiner €he bie fjofen anhaben? Das mar 
bie 5 *ä$e, ihn bebrüefte. Denn eigetttlich 

pafjten fte mohl fdjlecht 3ufammen. Sie mußte fo 

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gar nichts oom Ceben. XTa, bie merfmürbige 
€rsieljung! 3h re SHutter fjattc fte nie gefannt, 
unb ber alte profeffor, ber fomifc^e Kerl! £Die 
ber überhaupt 3U einer 5rau gefommen fein 
mochte? Sicher Ijatte feine Selige im ent* 
fcfcibenben Slugenblicf: „Sta?" gefagt. — Kber 
bas brauchte pamel Jtvanytfdj nicht meiter ju 
interefjteren. 3^ n f<*lls mar er mit bem Hefultat 
biefer <£^e perlobt, unb er liebte feine Braut 
gan3 foloffal. Kber, aber . . .? €r fyitte bie 
Sach« gleich nicht richtig angefangen. 2)a§ er 
jefet fchon, brei (Tage por ber I}och3eit, fo meit 
mar, bafj er jich nicht getraute, feiner Braut 3U 
fagen, mo er fjeute abenb Ijin moHte. Da§ er 
ifyr irgenb mas pon einer Sifeung hatte porlügen 
müjfen! STa, eine fermere Sifcung mürbe es 
mohl merben, mit Safcha Byfoff unb SUjofcha 
Znjäffojeboff. pamlufchinfas Kbfdjieb pon feiner 
luftigen 3unggefellen3eit! pamel 3**>anytfch feuf3te 
noch einmal; er mar eine 3U paffme Statur 
unb Ijatte 3U oiel Slngft por allen Unan* 
nehmlichfeiten , namentlich aber uor bem ge« 
miffen flagenben Kusbrucf in ben Slugen feiner 

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Braut Dietleicht märe bas freute mirflich fein 
lefeter fibeler Kbenb. 

Kber jefet fotlte ihn bas nicht jlören. €r 
mar cor bem KlojterfeHer angelangt, jtampfte 
ben Schnee t>on feinen (ßalofchen, fchüttelte feine 
Sorgen mit einem Kchfeljucfen x>on ben Schultern 
unb flieg, ben fjut ein menig auf bas linfe (Dfyr 
rücfenb, bie Creppe hinunter, 5Iott wollte er 
heute fein; an faulen IDifcen über ifjn mürbe es 
fo wie fo nicht fehlen. 

3 n bem aparten Zimmer erwarteten ihn 
fchon ber fleine Safcha unb Kljofcfja, ein Hiefen« 
mamtsbilb, fo groß unb bief, bafc feine (ßejialt 
in einem menfehlichen (Bebächtnis feinen plafe 3 U 
haben fchieit. XDer ihn ein paar Cage nicht 
gef eben h<*tt^ fragte jtch erjtaunt bei feinem 
Knblicf: „3fl bet Kerl fchon wieber nach aßen 
brei Dimenfionen gemadjfen?" Deswegen mürben 
bie brei auch bas „oierblätterige Kleeblatt" ge» 
nannt, inbem man Kljofcha für 3 mei rechnete. 

pamel 3 n> anytfch f an b f e ' nc 5reunbe an 
einer für brei perfonen gebeeften Cafel, bie finnig 
mit ZnYrtenflräufjen gefchmücft mar, fchon eifrig 

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an ber Arbeit. Sie pertrieben jtch bie ^eit mit 
Schnaps unb 3 mbi§. 

„pawlufchinfa," brotjnte Kljofcha ben 5reunb 
an, „h<xj* bu hoch geburft? J}at bir beine Braut 
erlaubt, Kbfdjieb pom fjausfchlüjfel 3U nehmen?" 

„Binboieh," fagte pawel milbe 

unb längte feinen Blautet auf« 

„Komm, Brubert^erj, ifj unb trinf, morgen 
bifi bu tot." 

„IDemt bu fo weiter machft, Kljofcha, unb 
fo fdjnell fäufft, liegft bu fchon por swölf als 
fchöne Ceiche unterm tEifch." 

„IDir fönnen uns bas teijten," fräste Safcha, 
„mir fchon, aber bu nid^t. Du bijt es ja nicht 
mehr gewöhnt. JDeifjt bu überhaupt noch, n>ie 
ein Schnaps riecht, artiger Bräutigam? — Pfui! 
Klfoholl — Drei IHonate fchon muffen wir 3wei 
beibe einfam ben Schmer3 um beinen Derluft 
mit neun3iggräbigem Spiritus brennenb erhalten. 
— Profit, bu perlornes Schaf!" 

„Kinber," fagte pawel 3 n>ö nvtfch, „ihr 
hättet nicht ohne mich anfangen foHen. IDenn 
man fo gan3 nüchtern in eure . (Sefeflfchaft 

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fommt, macht tBjr ni djt grabe einen fe^r mi&igen 
<£inbrucf." 

„f}at bie €rjiehung bei bir fchon fo gut 
angefdjlagen?" meeferte Safdja. Uljofdja aber 
fußte eine Ctiampagnerfcfyale mit Stocfmanns* 
höfer pomeranjen unb präfentierte fte pawel 
3t»anytfch. 

„IDenns weiter nichts ijt, mein 5ürji, be« 
f offen fannft bu immer noch werben." 

Unb Uljofcha foßte recht behalten. Halb 
Jam auch ber Bräutigam in 5timmung, unb ber 
Ubenb würbe fehr ftbel unb geräufchoofl. Hur 
bie IDifce ber beiben anbem erinnerten ihn hie 
unb ba noch baran, ba§ er in brei (Tagen heiraten 
foßte. Uber fo recht flar Jam es ihm auch bann 
nicht 3um Bewufjtfein, fonfi hätte er ftch fo 
manchen oon biefen ZDifeen wohl oerbeten. 

Ufles fchwamm ben breien in einem bläu* 
liehen Hebel, bas (Befühl ber Schwere war felbfl 
in Uljofcha aufgehoben, unb bas woflte etwas 
heifjen. 

Die Stimmung ging aßmählich in einen 
leichten Stumpffinn über. pawel 3 a> anytfch 

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hatte eine Heifye (Släfer oor fich aufgeftetlt unb 
Derfudjte fte abjufiimmen. Salb go§ er ^ier 
etwas nach, halb ba, bann Hopfte er mit einem 
ZTTeffer an bie (Släfer unb laufdjte mit jtieren klugen 
auf ben £ou, Safdja blies unermüblich Hauch* 
ringe oor fich hin, Hljof dja aber mar am <£nt» 
fcblummern, unb jebesmal, wenn er einniefen 
wollte, fuhr er wieber auf unb machte ein blöb« 
finnig unbefangenes (Seftcbt, als ob er gar nicht 
gefdjlafen hätte, unb fein Stuhl trachte bebenflich 
unter ihm. €nblicb aber fiemmte er feine 5äujie 
auf ben (Eifcb unb erhob fich fchwerfälltg, aber 
nicht 3U feiner ganjen b)öhe, es war, als ob er 
feinen Kopf nicht tragen fönne. Unb langfam 
fprach er: 

„IDenn wir jefct nicht Kaffee trinfen fahren, 
fange ich an fchläfrig ju werben." 

Die beiben anbern unterbrad^en fich in 
ihren Hefchäftigungen. 

„Selbfioerftänblich , bas tun wir," fchrie 
Safdia mit einem fo erfiaunten (Seftcbt, als 
ob er etwas ungeheuer Überrafchenbes oer» 
nommen hätte. 



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pamel 3t»anYffdi meigerte ftd), aber ofyie 
befonbere £eibenfd)aftlid)feit. 

„Kdj mo 3 U beim? £Dir föntten f)ier ja 
aud} Kaffee trinfen." 

„Der Bräutigam!" fjöljnte Safdja. 

„€s märe gar feine UTanier," lallte Kljofdja, 
„bu mugt einfad) mit. 3n bem Xjaus, n?o bu 
am meijten oerfefjrt Ejajl, ba mugt bu aud) beinen 
Kbfdjiebsbefud) machen. — 0 <0o tt," fufyr er 
bann gerührt fort, „unfer einiger damilien* 
oerfetjr. — Unb €lt>ira tjat fo oft nad) bir ge< 
fragt, bei <5ott, bas ZTCäbdjen ift bie einige, bie 
bid) mirflidj geliebt Ijat." 

„Hein, bas gefjt bodj nid)t." 

„Kd) roas!" 

Unb Kljofdia ftegte burcf) bie Breite feiner 
perfönlidjfeit unb bie (Semalt feiner <5rünbe. 
Balb fagen fte im 3 u>eifpännigen Schlitten. Safdja, 
ber burdjaus hinten auf bem Crittbrett fielen 
mollte, Ratten fte oorjtdjtsfjalber auf ben 5d)og 
genommen unb bie Decfe fejt über itjm jugefnöpft. 
Dem Kutfdjer fjatte Uljofdja einen Dreirubelfdiein 
gegeben unb ifym einen Barnen 3 ugerufen. Die 



93 




Quittung darauf mar ein breites (ßrinfen ge« 
mefen, unb nun fchlug ber Ztlann auf feine (Bäule 
los, baß ber Schlitten milb um bie €dFen 
fcfjleuberte. Km fdjmarjen fjimmel büßten bie 
Sterne, unb bie Hadjtluft brachte bie Klfohol- 
bünjte in ben Köpfen ber breie jum IDirbeln. 

* * 

♦ 

Sie faßen in ber Hifcfye um ben runben Cifch 
unb tranken Kaffee. Kus bem Saat brangen 
bie anfeuernben HtjvtBjmen einer KTafurfa ^er» 
über, unb man tförte, mie bort jemanb mit be- 
fpornten Stiefeln im Cafte ftampfte. 

Kuf Kljofchas Knieen faß Halesfa unb riß 
itjn an ben 0 ljren. Sie mar fjeute im pagen« 
foflünt; aber fetjr ßiledjt mar es nicht, baju mar 
es 3u befollettiert Heben Safcha faß (Bretchen, 
3iemlid] betrunken unb bamit befchäftigt, ein paar 
Kaffeeflecfe auf bem meißen IDachstuchbejug ber 
(Eifdjplatte mit ^ucferßücFen aufeutroefnen. 

pamel 3 manYtfch faß allein in ber Sofaecfe, 
3iemlid} ernüchtert unb mit einem mürgenben 
(ßefütjl im fjalfe. IDie fonberbar ihn nach fo 

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langer &e\t mieber bie Ktmofphärc in biefem 
2laum beuchte, ben er non früher h*r fo genau 
farmte. Diefer (Serucf] aus puber, f Warfen 
parfüms, Staub, 5teifd] unb oerfchüttetem <£hom« 
pagner. Brr, er mollte halb gelten. 

„tt)o 3 um (Teufel iji eigentlich <£lmra?" 
fchrie Kljofcha auf einmal, „fdjaut euch mal 
pamlufchinfa an: er fchläft fchon." 

„Kch, la§ nur!" mehrte pamel 3manYtfch ab. 
„€loira mu§ mit einem (Dffoier tanjen, im 
Saal," fagte Dalesfa, „ein efelljafter Kerl, feine 
fann ihn leiben« " 

„Die mu§ h*r!" fagte Kljofcha, erhob ftch 
unb ging in ben Saal. 

€in junger Dragoneroffoier in Uniform tanjte 
bort UTafurfa unb fchleppte <£lmra, bie ben (Tan 3 
als Kuslänberin nicht fannte unb jich jträubte, 
hinter ftch hör. €r hotte feinen Säbel abgelegt, 
unb fein Uniformrocf ftanb meit offen. Sein 
(Seficht mar rot unb na§ oon ber Knjtrengung, 
aber unermüblich tan 3 te er, ber Boben bröhnte 
unter feinen (Tritten, unb feine Sporen flirrten 
mit einem leifen, reinen Silberflang, ber in biefer 

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Umgebung etrnas fonberbar Derirrtes fyatte. Hur 
bas eine paar ta^te, aber ^ufcFjauer gab es 
eine ganje HTenge. 

Kls fte an ber Or oorbei Farnen, in ber 
KljofcFja ftanb, niefte <£Imra tFjm ju. Unb ber 
Di efe flüfierte Fjaftig: „Komm in bie HifcF^e. 
pamlufcfjinFa ift ba." 

Sie oerßanb iFjn. Der 0 ffaier aber merfte 
nichts. 

Kaum Fjattc KFjofcfja ftefy tuieber gefegt, als 
aucF] <£Fmra fdjon Fjereingetaufen fam unb jtcFj 
in • bemfelben Kugenblicf an pamel 3 tt>a ”Y t f<^ s 
F}als jtti^te. 

„Pamlufdjinfa, bu mein fje^cfyen, bifF bu 
mieber mal gefommen! 3 d? öacFjte fefjon, bu 
bi(F mir ganä untreu gemorben." 

Draußen tönten Fjajtige, fporenFIirrenbeScfjritte. 
Der ©ffijier fdtfug bie DorFjänge 3urücf unb 
fianb in ber HifcFje, bie (SefettfcFjaft mit Wut« 
unterlaufnen Kugen mufternb. 

Dann pfiff er gebieterifefj unb minfte <£Ioira. 

KljofcFja erfyob ftef) Iangfam 3U feiner gan3en 
(Sröge unb trat auf ben £inbringling 3U: 

9« 



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„VOa s toiüft bu , Kerl? Sdjer bidj 3um 
(Teufel!" 

Der ©ffaier Bjolte 3U einer 01 jrfeige aus. 
Da aber gefdjalj ettoas gä^lidj Unerwartetes. 
Hljofdja ergriff bett mütenben fleinen Ulann, 
ftreefte if?n über fein Knie, 30g iljm bie breiten 
pumpfyofen flramm unb begann feine Hücffeite 
fräftig mit ber flachen ffanb 3U bearbeiten. KIs 
er meinte, es bürfte genug fein, jiellte er itjn 
toieber auf feine 5ü§e unb fagte gemütlich: 

„Sol" 

Der ©ffoier mar gan3 grünbleidj im (Sejicfjt 
unb jiü^te fort, in bie <5arberobe, oerfolgt oon 
febaflenbem (ßeläcfjter. Uber bas £ad?en follte 
halb oerjtummen. Denn gleidj barauf erfd]ien 
er toieber am €ingang ber Hifcfje, einen Heooloer 
in ber fjanb, ben er auf Kljofdja richtete. Die 
ZDeiber freifdjten, Safdja froefj oor SdjrecF unter 
ben (Tifdi, Hljofdja ftanb ftarr unb ftierte auf 
bie XDaffe. 

patoel 3*ooi 1 Y t f c fy fpr^ng auf unb fiürste ftd] 
auf ben ©ffaier. €in fur3es Hingen entfpann 
ftdj. Da auf einmal fradjte ein Sdjujj. 

KI. St bl. 82 7 



9? 



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ttTtt einem Ieifen Schmerjenslaut fuhr ftd? 
pamel 3 tDa nYtfcb mit ber ffanb an bie Bruft, 
bann marf er beibe Krme bod? in bie Cuft unb 
ftürjte vornüber aufs (ßeficht. 

Der ©ffijier mar auf einmal nüchtern ge* 
morben, er fniete neben feinem ®pfer nieber 
unb breite es um, auf ben Bficfen, unb riß 
ibm bie Kleiber auf. Kus einem Meinen £ocb 
unter ber linfen Bruß jteferte bunfles Blut. 
<£in fermeres Köcheln . . . Dann ßreefte ftd? pamel 
3manytfch unb ließ feinen Caut mehr Ijören. 

Kudj aus bem XtTunbe bes ©ffaiers entrang 
fich etmas, mas mie ein Köcheln flang. Kber 
feiner hörte es; biefer Con mürbe »erfchlungen 
uon bem (Sefreifdj ber IDeiber, bie auf ben 
Schuß b?crbci9ccüt maren, uon bem (ßebrüll ber 
biefen IDirtin, bie über bie Klannsbilber im all- 
gemeinen unb ben ®fftjier im befonbem fchimpfte, 
ber gerabe bei ibr folcbe <ßef dachten mache. Die 
einen febrien nach ber polijei, bie anbern nach 
einem Krjt. 

5afcba faß auf bem Sofa unb b^^ bie 
fjänbe oor bie Kugen. Kljofdja fianb ab* 



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getoenbet; ein troefnes Sdilucfoen erfefjütterte bie 
foloffalen 5Iei[dima(Jen feines Körpers. 3fyn 
roar übel, benn er fonnte fein Blut fetjen. 

pan>el 3n><*nYtfdi aber lag (Hfl unb fteif; 
fjörte unb fat) nichts metjr. 




7 * 



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©t t <Hßfmbun$ 



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I 




XTTelancholifch, bie b}änbe in ben KTantel- 
tafchen, bas Kinn in bcn hochgefchlagnen Kragen 
uerfenft, ftanb Ceutnant Haron Dem auf bem 
Kafernenhof unb beaufjtchtigte bas <£in3ele£er- 
3ieren ber Hefruten. Das E^eißt, er fab gar 
nichts bauon. Hur uls ber Unteroffaier Klaus 
in einem marfierten tDutanfaü auf techner peter 
Iosjiur3te unb brüllte: „Saufyunb miferabliger, 
ich erfiech bich. IDia r a gfdjmoHne Kuh fimmt 
er baher, ber fjansumrfcht, ber grasgreane!" 
febaute ber Ceutnant flüchtig auf unb lächelte 
ein menig über ben fchönen Dergleich. Kber 
bann oerfanf er mieber in feine (ßebanfen unb 
lieg ficb in ihnen bureb bie Kommanbos ber 
Korporalfcbaftsfübrer nicht ftören, unb ebenfo 

>03 



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menig bttrd} bie bröfynenbeit dritte ber jungen 
Daterlanbsoerteibiger, bie fidj ofyne fonberltdje 
Begeiferung' im KB<£ aller mililärifdjen Dott* 
fommenl]eit übten, im tangfamen Schritt, ber fürs 
erfe nodj in brei Cetnpi jergliebert mürbe. 

Der Heine Baron füllte ft df nidf mel glücf« 
lieber als feine Befruten. Herrgott, uor ein 
paar Cagen noefj in Blündjen als ein Stern 
ber Cebemelt geglänjt $u ijaben, unb nun auf 
einmal in biefem traurigen Blittelfäbtdjen 3 U 
fyoefen, mo ein oernünftiger BTenfdi oor lauter 
Cangemeile nichts anbres anfangen fonnte, als 
ftdj befaufen. „ 3 « einem DierteljaJfr Ijab idi 
bas Delirium," mebitierte er in ftd? fjinein, „bas 
mirb ber Klte baoon fyaben! Uitb bann bie 
tDeiblidjfeit Ijicr ! ^ufänbe, ^uftänbe! Kdf, 
<£Ui!" — (Db fte moty audj nodj an ifyn badfe? 
Kaum. Sie mar eine gute £}aut, aber ein etmas 
leidstes Cudj. ۟i gings jefct molf beffer als 
ifjm. Sein Badtfolger mar ftdier fd?on ge« 
funben. 3 a, fo eine (Efyeaterbame! IDen fte 
moty begtücft fyaben modjte? Den biefen 3umelier 
Knbreas, ober BlucH plesfom? BTucfl mar 

m 






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entfcbieben ber Schönere, unb bann, ein (ßraf! 
Der Heinere mar er nun 3»ar nicht. Uber aufs 
(Selb fab (Elli eigentlich nicht fo fehr, unb bann, 
gerabe jeßt . . .1 <£Hi ^atte ja noch bie fünf« 
taufenb ZtTarf, bie iEjr fein Ulter als Ubftnbungs« 
fumme gegeben ^atte. Das ging ftcher aQes in 
(Toiletten auf. Uch, er fonnte ftch fo gut uor« 
fteUen, mie piffein fte jeßt ba^er fommen mürbe, 
(ßefchmacf tjatte bie Kröte, bas mußte man ifyr 
taffen. Ulterbings mußte jie auch mit bem 
ftdjerflen 3 n P n ^ immer auf bas Ceuerjte 3U 
perfallen. Uch, unb überhaupt . . .! Schön mars 
gemefeit, aber teuer. Bis an ben f?als mar ihm 
bas IDaffer gegangen. Die ^retterei von (Termin 
3U (Termin, bas gan3e leßte 3 <*h* tjinburcf^I 
Scheußlich! Uber fdjönl — Sein Ulter tjatte 
fiefj hoch perflucht nobel benommen. Bis auf 
bie Bebingung ber Derfeßung in biefes Heft 
tabettos. Unb ber Ulte batte ja recht, in UTüncben 
märe es mohl febr halb mieber biefetbe (ßefebiebte 
gemefen. — Unb er mar jeßt boeb altes los. 
(Ein hftfcfcber pojten, menn mans 3ufammen« 
abbierte. So mas teppert (ich! Unb gerabe ein 




UTillionör war ber Ulte ja auch nicht. Ceiber! 
Da§ immer fo Ceute wie ber bicfe Unbreas bas 
oiele «Selb haben müffen! — 3 a / war nun 
aber leiber nicht 3U äubern, unb man mußte bie 
Sachen nehmen, wie jte lagen. Verbammt nobel 
hatte ftch ber Ulte benommen, gar nichts barüber 
3U fagen! Unb Sorgen hatte man jefct fo bireft 
auch feine mehr. Ullerbings auch feine 5 reuben. 
Uber bie hatte man jtch eigentlich für eine &e\ t« 
lang oorausgenommen. 3« UTündjen. Ulit €üi. 

Unb ber Heine 3 aron würbe gan3 gerührt 
beim (Sebanfen an feinen f}errn papa; er be« 
fdjloß, fleh feines Vertrauens würbig 3U er3eigen, 
unb warf jtch mit einem plößUchen <£ifer auf 
ben föniglidjen Vienjt. 3a, bem Cechncr peter 
machte er ben langfamen Schritt fogar höchjt 
perfönlich oor: 

„Schaun S h« r / Sie boefbeiniger Hammel, 
fo wirbs gmacht. Cempo — eins! Sdjuun S 
meine 5 ußfpifeen an. Strecfen, ftreefen! 

Herrgott Saframent, fall um, Cropf! IVarum 
fann benn idjs? — Drei! — UTit ber Spifeen 
folln S 3uerjt auf ben Hoben fommen. 3 ^ff a5 / 

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3effas! Hod| einmal! So mie id|! — 3<*/ 
marum brüden bettn Sie 3^ rc Knie net burd?, 
fjerr tedjner? Unb mo fyaben Sie 3fyre geehrten 
Dorberfloffen? — ^urücf bamit! — Bodj ein- 
mal! — Diel länger ben Schritt! Sonfi lernen 
S in 3f} r *m ganjen Ceben feinen 3 Ügigen UTarfdj. 
Hoch länger! Sdjaun S fyer, fo mie idj!" 

Der Schritt bes Ceutnants mar allerbings 
noch etmas für 3 er, als ber peter £ed}ners. Uber 
bas machte ja meiter nichts; unb bann fonnte 
man etmas anbres aud) nid|t gut verlangen, benn 
ber fleine Baron mar faji um einen Kopf Heiner 
als ber Uefrut, unb ber UTarfdj mar nie feine 
jtarfe Seite gemefen. 

Kus bem Kafernentor fam ein ZHann uon 
ber ZDadje mit Xjelm unb patronentafdjen auf 
ben f leinen Baron losgejteuert, fafjte ein paar 
Schritte r>or ifym oorfdiriftsmäfjig Critt, f lappte 
mit einem Knall ben redeten Kbfafc an ben linfen 
unb brüllte, bie Bruft uorgemolbt unb ben fleinen 
Ringer an ber I^ofennafjt: 

„ZHelbe fferrn Leutnant geljorfamft, eine 
Dame miß fjerrn Ceutnant fpredjen!" 

| 0 ? 



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„<£ine Dame?" 

„Befehl, rr €eutnant." 

„Wo ift benn bie Dam«?" 

„Kuf ber IDad]«, rr Ceutnant." 

„€ine Dam«? IDie ftc^t fi« benn aus?" 

D«r BTann grinjle freunblidf. 

„Sauber, £}err Ceutnant!" fet^ri« er bann. 

„Schrein Sic bodj nidjt fo, ZHenfcf?. — 
Kbireten!" fagte b«r Hein« Baron Ijöctjji ge» 
fpannt, übergab bi« Kuffidjt bem Dijefelbtoebel 
unb jieljte über ben Kafernen^of uad| ber EPadje. 

* * 

♦ 

Der Flein« Baron u>ar nod? ganj fonfierniert, 
als er fid? nad] fjinausbugfierung bes 5e(ba>cbels 
unb bes Schreibers enblidf in ber Kompagnie* 
Fanjlei im tete-ä-tete mit <£fli befanb, bie mirflich 
fabelhaft djif ausfah. 

„Ba," lachte fie, „toas mad$ benn bu für a 
fpinnets (ßftdjt, Barontfcberl? <ß«h her, gib mir 
a Bufferl!" 

„So eine Corfyeit," jiotterte ber Kleine, „in 
bem Heft . . .!" 



*08 



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„21 geh," lachte €üi unb flog ihm an ben 
fjals, unb ihre feibnen Uöcfe räufelten über bie 
fchmierige Kafernenbiele. 

„Ciebfte €111," fagte ber Baron l^eroifd?, „bu 
roeigt hoch, mir müffen oernünftig fein. Das 
geht roirflich nicht. ZHein Dater . . . €s mug 
uorbei fein 3*»ifd?en uns." 

„21 geh, ich uoeig fchon. XTachh*r toirb 
alles uorbei fein. 21ber jegt bleib ich amal 
uierjefin dag ba, ober brei IDodjen." 

„3a, u>ie benfft bu bir bas eigentlich?" 

„21, Barontfcherl, fei net fab. Urlaub hab 
ich auch nom (Theater. Unb bis mir bie ,2lb- 
finbung' burchbracht haben, leben mir h*er, mie 
ber liebe (Bott in 5ranf reich." 

„Die 21bfinbung!" 

„3a, natürli, bös <8elb mug hoch in ber 
5amilie bleiben." 

„21ber, aber ..." meinte ber f leine Baron 
nachbenflich unb 30g an feinem bünnen Schnurr* 
hart. 

Sie hfef* ihn aber feg, brüefte feinen Kopf 
an geh unb güjterte ihm ins 0hr: 




„Sdjön foHs nodj feilt, bie merjeljn Cag. 
So fdjön mie nie, 33arontfcfjerI. tt>irjt es fe^n!" 

Unb er mar fd}on gan3 einoerjtanben unb 
gab ifyr einen Ku§ unb fagte gerührt: 

„Du bijt unb bleibft bodj eine gute f?aut, 
«Herl.* 

„Dös fennjt," lachte fte, „mofür mär benn 
id} eine jugenblid) Sentimentale?" 




rtb 



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©er «HueßtffeßeöWr 



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€infam unb oerftimmt faß ich in bem berliner 
3 ftacf]tcaf 6 . <£s tt>ar oier Uhr morgens. 3ch 
toar unglücflich. UTeine erjte (Seit ebte Ijatte mir 
abgefchrieben. Kn Schlafen n?ar fein (Sebanfe 
geruefen, unb fo tx>ar ich benn fyierfyer gegangen, 
um eine Caffe Kaffee 3U trinfen unb mich an 
bem KnblicF ber XTachtroanbler 3U 3erßreuen. 
Kber für einen gan3 nüchternen UTenfchen halten 
bas fcfjlechtbeleuchtete £ofal unb bie ruenigen in 
ihrer Crunfenheit fehr toifolos Iärmenben (ßäjte 
barin etmas Derftimmenbes. 

„Kellner, einen ^eneffy!" 

„Sjerr toofl, ^err Doftor!" 

Der ausgefprodjen rufpfdje Dialeft bes UTannes 
machte mich aufmerffam. 

KI. 8lbl. 82 8 

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„Sink Sic Huffe?" fragte idj ifyt, als er 
mir ben Kognaf brachte. 

«fr fdjien freubig überrafdtf bapon, bafj ftd? 
jemanb um feine JEjerfunft fümmerte, unb fefyr 
geneigt, ein (Sefprädj mit mir anjufangen. 

„(Semifj, fjerr 2 >oftor," fagte er unb ftüfete 
ftd], ben (Dberförper perbinblidj porgeneigt, mit 
ber Cinfen auf meinen Cifdi, mäfyrenb feine 
Kedjte mit ber fdjmierigen Seroiette forgfam 
einen KaffeeflecF non ber KTarmorplatte mifdjte. 

„EDie fommen Sie benn f}ierfyer?" fragte idj 
il]n aus fangemeile, jugleid? aber getoiffermafjen 
aus ZTTitleib, benn idf füllte inflinftio, mie er 
barauf brannte, mefyr 3U fagen. 

„Vas ift eine ferr lange (Sefdiiedjte," begann 
er, „iedj fyätte friefyer nidjt gebadft, ba§ mir fo 
getjen roirb. 3d? mar, roie idj jung gemefen 
bin, faiferlidj rufiffifdjer Kaljmerjunfer geipefen." 

„ Kammer junf er?!" 

„Sie merben, fann fein, nidjt glauben. 5 uf« 
3el]n 3«^en 3urüd mar idj persona gratissima an 
peterburger Ejof. <San3 groffe Karriere por bie 
Kugen, fötjnnen Sie mir, bei (Sott, glauben." 

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„3 aber mie iß bas benn möglicf]?" 

„Sefjen Sie, mein gafj^er UEjnglücf ifl t>on 
einen £f)ering gekommen." 

„Don einem gering?" 

„JDie icf] 3fynen fage: oon einen Cfjering. 
Daoofjn bifjn icf] in Ufjngnabe gefallen morben, 
fuf 3 efjn 3af]ren 3 urüf]<f. Diefen <£E]ering f]abe 
icf] bei Scf]maf]tt 3 genommen unb auf ber 33ief]tte 
t>on faiferlicfjen (Efjeatter gefcfjmifjffen für eine 
Säfjngeriit, melcfie mif]cf] beleibigt gehabt fjatte. 
Ubber bas mar eine Ulaitreffe oofjn einen jufjngen 
(Srojjfüfjrften gemefen, unb berr Bjat es fefjr ibel 
genofjmmen. Unb fo mürbe icf] in Ufjngnabe 
gefallen. Unb ber papa oofjn bett jungen <ßro§« 
füfjrfien mofjHte bie Säfytgerin fcfjon lange fos 
merrben, unb ba fjabe icf] fte cf]eiraten müfjffen!" 

„Sie B]aben fte heiraten muffen?" 

„tDafjs foH man macfjen? 3» Hufjfanb ifi 
nied]t fo, mie f]ierr. 3^ fjabe fte Bjeiraten 
ntüfjffen unb muf]rbe als ruf]fftfcf]er Confjull ttacf] 
X)an 3 ig gefcfjicft. Dan 3 ig, müfjffen Sie benfcn, 
fjerr Doftor, menn man oon peterbuf]rger fjof 
fommt! Kein UTenfcf], föitnen Sie glauben, mit 

8 * 

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ben man fpredjeit fann. — Hu, mit meine 5rau 
ift erfl ferr gutt gegangen, roeü id} fo ferr 
uerljibbt gemefen bin unb fte Ijat feine atjnberen 
IHaBjnner niedjt 3U fefjen befofjmmen«" 

„3^, aber — " marf idj ein. 

„Kbber garr nidjts, fjerr Doftor, fufyr ber 
Kellner fort, „meil id? uerljibbt tn itjr gemefen 
marr, unb meil fte mied] auslatjdjen motlte, 
barum I^abbe idj ja mit dfyerring gefdjmieffen. 
— Kleine 5 rau marr fd]ön, müljffen Sie mif^ffen, 
ferr fd?ön! Kbber teuer, unb idj, armer Ceufel, 
mafys idj marr, mufyßte mein Dorf, miffen Sie, 
in BuB^lanb oerfaufen unb oon Kapital Ijeben. 
Kber if)dj marr ferr glüfjcflid}, unb (Sofjttoer* 
trauen mufyß man Ijabben. — Kber bann iß fie 
bufjrdjgegangen." 

„Durchgängen?" 

„IDie id] 3fyi* n fagc! — ZHit meinen bjaus* 
arjt! bjabb idj abfoljutt nicf)t oerßefjen föfjnnen* 
<£in KTann, id? f^ätte iljm niljdjt mit 5cujer« 
3aljnge gefaßt! Kann fein, er mar aus ferr 
fdjledjte Familie, mas meiß idj! Hu, oier3eljn 
Cageu mar er mieber 3urüfjdgefommen gemefen, 

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unb nacf} Dierteljafyr meine aud}. Unb id} 
mar bumm unb fjabbe mied? gefreut Uber 
nid}t Ialjnge ijt fte fdjon mieber bufjrdjgegangen, 
auf biefes UTal mit einen 2XFteur ! Unb id} 
fyabbe ifjr gewartet meljr wie ein 3 a ^ r / unb 
bafym fyabbe id} gebadet, was weiß ifydf: Un* 
glüljcf in Cjibbe unb (SlüfyJ in Spiel; unb lang* 
weilig warr fdjreljcflid} in Z>an3ig, unb id} bin 
mit mein <8el}lb, was id} nod} gehabt Ijatte, 
nad} UTonte Carlo gefahren. Ubber fd}lel}d}te 
<ßefd}äl}ften, faljnn id} 3*?nen oerftfydiern. XDar 
nid}t lange, wie id} alles uerfpielt geljabbt Ijabe. 
XUas foH man nu mal}d}en? Kaiferlid} rufyffi* 
fd}er Staatsbienft i|i nidjt mel}r mögglid} ge* 
wefen, weil id} bantals in X>anjig nid}t Urlaub 
nafjm, wie id} fofyrtgefafjren bin. Croupier, Ijabe 
id} mir gebal}d}t, abber bie Uermafjltung l}at 
mied} nied}t Ijabben wollen. Hu, was f}abb ied} 
gemal}d}t ? — 3^1 tjabbe mid} beinat} tot* 
gefdjojfen." 

„Cin Selbjtmorboerfud}?" 

„Hein, nein, nid}t fo! Ubber wenn nod} 
lange gebauert fyStte, fann fd}on fein! Hur brei 

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(Eage fyabb ich noch »arten »oBjflen, u>ie bann 
eine Cahnbsfrau geholfen hat." 

„<£ine: roas?" 

„XTu, jte »ar auch aus Huhßlanb." 

„Uch fo, eine £anbsmännin!" 

„Catjnbsmännin? Komifche Sprache! 3a, 
jte »ar ferr reich. Biefjdjen alt! Uber fc^abet 
ja nichts. Unb fo, »ie fte mitjeh gelibbt hat! 
Unb bann »uhrbe bie &eit ferr fchönn für mich. 
<£ine <Slahn 3 periobe, Föhnnen Sie fleh behnFen. 
Xt>ir habben gereift burch ber gaffen UMt, 
3 »ei 3ahr«« ohne paar ZtTonaten. U)ann Sie 
mih<h gefeiten hätten! So fchönn toar nicht mal 
an peterbuhrger fjof getuefen. CD 33aben*33aben! 
mit mer langgefpannte pferben bihn ich «je* 
fahrren. Unb bie 5rauen fthnb alle oerrüheft 
auf mirr gemefen. Hu, ich »ar fchönner Kehrl, 
unb, Föhnnen Sie mirr glauben, ich habbe UToben 
gemacht, beffer, Fann fein, n>ie ber prin 3 of lüales. 
Unb h «ute, fehen Sie meinen 5rahd! 3« bi« 
Ührmel Fann man fich in Spieggel feh«n. Unb 
fonft, ich habbe nichts ahnberes 3 um Uhn 3 iehen, 
wie ben frahef." 



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w 3 <*/ wie ijl bas benn gefommen?" 

„ 0 , bas mar fo eine 3 n*rige uon bie 
Dermahnbten non meine 5 reunbin. Sie tjabben 
bas (ßefyb lieber fehlbfl gehabbt. ttnb ba Ijabben 
fie ihr in ein Perrühcftenhaus eingefchlohffen. 
Unb ferr perrüheft mar jte garr nicht gemeferu" 
„3<*, unb Sie?" 

„Kdj, bas jtnb lange 3jtorijeit. 3 mmcr 
fdjlehchter ijt gegangen, immer fdjlehchter. Sehen 
Sie jtch bie piflen Stehmpel in mein pafjport an. 
VO'w oft ich mit ben , Schub', fo fagt man hoch, 
fpajieren gefahren bin. Kber nahch Buhfclanb 
habb ich nicht für mas mieber gemoHt." 

3d] blätterte bas pafjbüchleiit burdj unb fanb 
3 U meinem großen <£rjlaunen, ba§ bie «Erjählung 
bes Kellners auf IDafyrfjeit beruhte. €r mar 
rufjtfcher €belmann unb Kammerjunfer a. 0. 

„ 3 *»/' fagte ich, „aber fd|liefjlidj mujj 3 hn ßn 
als €belmann es bodj noch immer angenehmer 
fein, hier burch ehrliche Krbeit 3 U leben, als porn 
(Selb einer , 5 reunbin‘." 

„0, mie Sie jtch perrfehen!" mehrte er ab, 
„mirr geht fo fchljedjt. Zweimal in bie IPoche 

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eine Hadjt KusfyfylfsfeffUner. £Das glauben Sie? 
3dj friegge jebesmal brei ZHarf. <ßutt, menn 
nofyd) ZDinter, unb ifjd) fann bie afynberen (Tage 
Schnee fdjaufeln." 

„Schnee fdjaufeln?" 

„ 30 / in Sommer gefyt noefj nie! fdjljedjter. 
2TCafyi fyat nidjt 3U effen genug, bjerr Doftorr, 
u>enn id} eine Bitte mafydjen barf?" 

„2Ufo?" 

„Könnten Sie inirr nidjt einen bif$djen afyi* 
ftänbigen Kfyijug fcfyenfen?" 

„3d? mu§ mal nadifeljen." 

„Kdj, mann idi bas befofymme, mirb agiles 
mieber gut gelten, Hur uon bie Kleiber iji mein 
galtet Unglütjcf. Sdjönner Keljrl bin id?, nurr 
id] fefye jefct roie ein Bettler aus mit meinen 
5raljcf. €in bi§djen afynßänbiger Kfynjug, bann 
ift toieber gat^nj anbers. ©, 5 ie merrben fefyen, 
ifycfy finbe roiebber eine ^reunbin, idj mei§, idj 
mufyfj nodj einmal mit uier langgefpannte pferbe 
unter bie Cinben fahren. IDerben Sie fetten! " 

3dj fonnte nidjt anbers, idj uerfprad) bem 
ZTTann einen Knjug. 



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„Uttb oießeicbt einen ZDibntermantel unb 
einen Qut?" fragte er ^ajiig. 

„Xla, »otlen mir fe^en!" 

„21dl, fjerr 2)oFtorr, Sie jtnb ein gutter 
ZTTebnfdi. 2lbber idj merrbe bafjnfbar fein, mann 
mir gutt gebt. (Sans freier Krebit für Sie bei 
mir, bei (Sott!" 

3 cf? mußte lacfyen. Zfteine Stimmung blatte 
ftcb merFlicb gehoben. tDoju ftcfy quälen I 3^ 
fab es ja oor 21ugen, mas für ein sä^cs (Eier 
ber ZHenfcb iß, unb mas er alles burdtmadpn 
Fann, ohne bie Hoffnung $u uerlieretu 




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©er ßfatiftißtr 



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Der junge Deutfd]»21merifaner, bem feine 
Znüncfyner 5reunbe ben be 3 eid}nenben Hamen 
„ber £ugenfd}ippel" gegeben Ratten, fog nodf 
eine tüchtige portion t>on feinem (Sin Sling 
burefy ben Strof^alm unb antwortete erftaunt: 
„Sie wunbern ftdj? 3^ l?aben Sie benn nichts 
banon gehört? Der 5all Ijat bodj fo großes 
Sluffetjen gemalt!" 

„Hein, nichts," fdiotl es iljm entgegen« 

„Das ift bo d\ merfmürbig. Hlein 5r«unb, 
bas fcfjäbige, marabuartige 3 n ^i»>^wum, wie Sie 
ifyn 3 U nennen belieben, im übrigen Ijiefj er 
Cefynann — u 

„Cugenfdjippel, lügen Sie auefj nidtf mieber?" 

„ 3 d? lüge niemals. IDarum foU ein HTenfdt 

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benn nicht Cehmann heißen? — Klfo, meine 
%rren, mit Cehmann bin ich alterbings aus« 
einanber gefommen, unb 3mar aus einem feBjr 
jmingenben (ßruitbc. Cehmann ^at ft d? auf« 
gelängt." 

„Kch Quatfch, Cugenfdjippel, ich fjab ben Kerl 
ja noch t>or 3mei Cagen im bfeef gefehen." 

„Sie h<**>en jtdj getäufdjt. Cehmann f^attc fo 
ein ähnliches (Seftcht." 

„Xla, bas ifi hoch ftarf." 

„pft, laß ihn hoch reben." 

„ 3 <*, meine Herren, menit Sie mir nief^t 
glauben mollen . , .! Uber es ift gan3 gut, menn 
bie UMt einmal bie U>ahrheit über Cehmann 
erfährt. €s mären fo oerfdjiebne Derftonen im 
Umlauf. €inige fpradjen fogar t>on geiftiger 
Umnachtung. Uber man oerfennt Cehmann, menn 
man fo etmas behauptet, Cehntamt ijt als ein 
Opfer ber tDiffenfdjaft gefallen." 

„Was für einer IDiffenfchaft?" 

„Der Statiftif. — Don geiziger Umnachtung 
mar gar feine Uebe. Das mar früher einmal 
gemefen, ba mar er na^ baran, unb bamals 

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hat ifjn bie StatifttF gerettet. Bämlich, feine 
Braut t^atte fich eines UTifjuerftänbniffes falber 
bas Ceben genommen, unb er mar am f eiben 
(Tage uon feinem CBjef, bem 3n*l<*ber einer Käfe» 
hanblung, Knall unb 5<*tt entlaffen morben." 

„Zla, na, Cugenfchippel!" 

„UTein €tjrenmort. H)arum follte ein UTann 
ber IDiffenfdjaft nicht einmal alten Käfe oerFauft 
haben? — €r mar eines Hedjenfefjlers megen 
entlaffen morben, unb bies, in Derbinbung mit 
bem plöfelichen Cobe feiner Braut, Blatte iBjn 
fchmermütig gemacht. €r füllte ftcB? jmecflos in 
ber IDelt unb ging mit gefenftem Kopfe gehanten« 
los untrer. Unb unbemujjt [teilte ftch baburch 
bei itjm eine UTanie ein: er fing an, alles ju 
3 äljlen , bie (Erottoirplatten bis jur nächften 
StragenecFe, bie Creppenjiufen unb fo meiter. 
Das tat er lange ohne einen beftimmten ßvoed, 
er bachte nur: menn bie ^ahl ber Dinge, bie ich 
jefct 3 ähle, gerabe ijt, trinFe ich eine UTelange im 
Cafd Stephanie, fonfi ue^ichte ich barauf. Sie 
fehen, meine fjerrfchaften, ein b^ebfi gefährlicher 
^uftanb. Da auf einmal Farn ihm ein (ßebanFe, 




be r ihn aus [einer Schmermut riß unb ihn 311m 
Statiftifer machte. <£s fiel ihm nämlich plößlich 
auf, baß Bjier ein jtrenges (Sefeß u>altete. <£nU 
meber nämlich mar bie ber Creppenftufen, 
ober mas er gerate uornahm, gerate, ober fte 
u>ar ungerabe, ein brittes gab es nicht." 

„2Iber Cugenfchippel!" 

„Was moüen Sie beim? feuchtet 3 h nen 
bas melleicht nicht ein? — Damit mar für 
Cetjmann eine gemiffe (Sefeßmäßigfeit, bie [ich in 
^atyen ausbrüefen läßt, ermiefen. — ZDarum er 
[0 lange ba3u brauchte, um bas 3U entbeefen? 
3a, meine Herren, Cehmanns ftaatserhaltenbe 
unb miffenfdjaftlicfje 5ütjigfeiten maren eben größer 
als bie entbecferifchen. 2 llfo, Fm*3 unb gut, €eh* 
mann mar mit biefer €infteht ein Statiftifer ge* 
morben, unb nun begann feine fdjnetle unb 
glön3cnbe Caufbafjn, bie, leiber, ach nur 3U halb 
in Cob unb Dunfelfyeit enbete. <£s gab nichts, mas 
Cehmann nicht ge3ählt hätte, unb bie Schlüffe, 
bie er an feine fahlen Fnüpfte, maren mahrhaft 
genial, unb bie Catfachen gaben ihm immer recht. 
tX>ar er es nicht, ber ber ftaunenben XHitmelt 

(28 



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bewies, bafe ber edfte UTündiner im fjofbräu* 
fyaus binnen einer Stunbe minbefiens ftebenunb» 
breifeigmal auf ben 5ufeboben fpueft? UTit magrem 
Umeifenfleife Ijat er in feiner erften genialen 
23 rofdjüre hierüber fünftaufenb 5 düe sufammen* 
getragen. Unb roirflid?, bei jebem, ber meniger 
als fiebenunbbreifeigmal in ber Stunbe ausfpuefte, 
liefe fiel) in ber Uf3enben3 minbejlens ein Dorfafyre 
aus paftng nadjmeifett. Ulles mar begeifert 
t>on biefem Hefultat. Unb ein glän3enbes IDerf 
folgte auf bas anbre. 3dj miß fte nidjt auf* 
3äljlen unb bin au d\ 3U febr £aie in ber Statiftif, 
um 3fyten ben gan3en IDert aller biefer 23 ro* 
fdjüren flar3umad}eu , bei beren Ceftüre bie 
miffenfdjaftlidje IDelt faffungslos mürbe »or <£nt* 
SÜcfen. lOas er neben allen anbern Arbeiten r>on 
Unfang an, gemiffermafeen aus Pietät gegen bas 
Unbenfen feiner S 3 raut, mit befonberm €ifer be» 
trieben t?atte, mar bie Selbftmorbftatiftif. 3 ™ 
taufe t>on adjt 3<**) ren mar er 3U ber Über» 
jeugung gefommen, bafe in ZHündjen jäljrlidj ein* 
tiunbertunbbreise^n Selbflmorbe corfommen, unb 
bafe bies ein (Sefefe fei. Denfen Sie ftd} nun 
KL Sibl. 82 9 

129 



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feine fcfynerjlidfe €ntrüßung, als er am lebten 
einunbbreißigften De3ember fonftatieren mußte, baß 
es in bem 3 a *) r * nur ^unbertunbjmölf maren. 
ZDäre Cbalfircben fdjon einuerleibt gemefen, bann 
batte es geftimmt; bas fam ja aber erft am erften 
3anuar 3U ZTTüitcben. <£r blatte bie poÜ3ei ge* 
beten, ibm fofort ZUitteilung 3U machen oon 
jebem Selbftmorb. So erwartete er ftebernb ben 
Zibenb. Der bunbertunbbre^ebnte 5 aQ mußte ja 
bis ZtTitternacbt eintreten. Stunbe auf 5 tunbe 
perging, unb es fam feine ZZacbricbt. Denfeit Sie 
ficb Cebmanns De^meiflmtg. Zlber biefer ZHenfch 
mar mabrbaft groß. ZDas glauben Sie, mas er tat?" 

„Ha, Cugenfchippel?" 

„ 5 ünf ZTCinuten por 3tx>ölf in ber Sitoefter* 
naebt bangte er ftcb auf. Die ZDiffenfdjaft mar 
gerettet. ZHüncben b^tte feine Selbftmorbe." 

„fauler 2 Diß! Zlber Cugenfcbippel! Sinb Sie 
ein perrüeftes lEucb!" fcbaüte es burebeinanber. 

Der junge Zlnterifaner marf einen fcbneüen, 
perftoblenen 3 lkf über bie gan3e Cifcbgefeüfcbaft, 
bann fagte er tief ernft: „Cebmattn mar ber miffen* 
fcbaftHcbfte ZITenfcb, Öen icb gefannt habe." 

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fcer Müßt 



*»• 



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7 X ora unb Doftor Hanf, im gemöEinlicfjen 
£eben €ona EDalbenegg unb <£ajus bjaffe ge* 
nannt, in ifyren papieren aber als Herta Klein* 
joEjann unb 5 iegfrieb Pensberger legitimiert, 
traten burcb ben Sdjauf pieterausgang auf bie 
Strafte unb gingen in bas gegenüberliegenbe 
ECEjeaterrejtaurant, mo fte im tete-ä-tete 3U Kbenb 
3U effen pflegten, feitbem fte ftdj gefunben Ratten. 

„(Enblidj!" fyatte bamals jebermann mit einer 
gemiffen <£rleicfiterung gefagt. Denn baft es fo 
Ejatte fommen muffen, mar niemanb 3t»eifelEjaft 
gemefen, ber bie beiben etrpas näE)er fannte. 
£ona IDaEbenegg unb Cajus fjaffe paftten 3U 
gut 3ufammen. €s gab in ber gan3en übrigen 
Züelt moE>E faum 3tx>ei UTenfdien, bie bie Unmoral 



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t33 



fo ernft genommen unb mit einer fo fafralen 
5eierlichfeit geübt hätten mie fte. 

Via, nun mar es fo meit: nachbem jie ftch 
monatelang mechfelfeitig angesogen unb abgefio§en 
hatten, mar bas Derfyältnis 3toifchen ihnen feit 
halb brei IDochen im (Sange. 

„Cajus," fagte £ona plöfclich, als fte ftch 
ein JDeilcben fdjmeigenb mit bem £ffen be* 
fdjäftigt Ratten, „marum geben mir eigentlich 
immer 3U mir, unb nie 3U bir?" 

(Eajus räufperte ftd? oerlegen unb fuhr mit 
feinem Zeigefinger Iocfernb unter bem hoben 
Stehkragen entlang. Darauf betrachtete er ben 
Ringer mifjbiHigenb unb rieb ihn heftig mit 
feiner Seroiette. <£r hatte ftch nämlich nicht gut 
abgefchminft, unb fein X}als liefj 5 arbe. Dann 
bachte er etmas nach, machte, fomeit bas bei 
feinem (Eharafterfopf möglich mar, ein barm* 
lofes (Seftcht unb gab bem ©rgan einen für 
feine Derhältniffe leichten Konoerfationston, als 
er fagte: 

„Das kann ich bem ZTTäbchen nicht antun." 

„Was für einem ZTTäbchen?" fragte Cona, 



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unb ihre ZTüjtern weiteten ftch, mährenb in ihre 
matten, grauen klugen ein grünliches 51 immern 
trat. 

„So bift bu fchöul" fagte Cajus mit einem 
tiefen Blick in ihre klugen unb fuhr bann leicht» 
hin fort: „Kch , fyabe ich bir beim noch nicht 
baoon gefprodjen? UTerkmürbig!" 

„Was für ein Hläbchen?" fragte Cona be« 
gierig, unb ifjr ungewöhnlich roter, etwas großer 
ZtTunb brannte wie eine Stange Siegellack in 
bem käfemeifjen (Seficht. 

„Kch, nichts Befonbres," erwiberte er, „es ift 
nur meine h aU5 ^Iterin. <£in Heines ZHäbctjen, 
frühere Kellnerin . . 

„Deine f} a ushälterin? Unb . . . Unb . . .? 
Ciebt fte bich unglücklich ?" Cona mar aufs 
äufjerfte intereffiert. 

„So kann man bas eigentlich nicht bejeichnen," 
fagte Cajus ernfthaft, „fiehft bu, es gibt im 
Ciebesleben oerfchiebne feiten. Balb tft man für 
bie 3&Ylk/ balb für bie Cragöbie. Du, Cona, 
bift eine Cragöbin in ber Ciebe, Du bift bie 

richtige <£rgän 3 ung 3 U mir, bie mir uon 2 In* 

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beginn ber UMt oorausbeftimmte attbre Bjälfte, 
bie große bjetäre mit einem IDort . . 

„Unb was ift es mit jenem UTäbdjen?" 

„£jm . . . 3 <*/ bamals mar icfj 3ur 3^YÖ« auf« 
gelegt." 

„Damals? Uber fte ift bodj nod? bei bir?" 

„2a, ftefjft bu, £ona, bas fyat fo feine be« 
fonbern Urfacfyen. Die Sadje mirb leiber nid?t 
ot}ne folgen bleiben." 

„Du mirft Dater?" rief £ona beluftigt. 

„3a, mas man fo ju nennen pflegt, unb 3mar 
im nädjfien UTonat," niefte Cajus mit büftrer 
UTiene, „unb ftefyft bu, bu mu§t begreifen . . . 
^en3i mar immer bas freunblicfjfte unb nettefte 
(ßefdiöpf, reinfter Soubrettentypus; aber in bem 
^uftanb . . . ! Sie ift überhaupt fdjon feit einiger 
^eit fo . . . So unmirfdj. 3^ munbre midj 
immer." 

„£ieber, lieber Cajus," bettelte £ona, „id? 
Ijatte mid? aber fo gefreut, gerabe Ijeute 3U bir 
3U fommen. IDirflid?, nur für einen Uugenblicf 
nur beine IDotjnung möchte id] feljen. Sie foll 
fo fcbön fein." 



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„Das iji fie," fagte Ca jus mit Überjeugung 
unb oerfenfte [einen BlicF wieberum eine ^eitlang 
in ihre lafter^aft burjligen, etwas bummen klugen. 

„Du h a ft etwas oon einer Ceufelin, £ona," 
[agte er bann mit bem latenten Pathos, bas aud] 
bei ben einfachen Uusfprüdjen jtets als Unterton 
in [einer Stimme bräunte, „ja, oon euch IDeibern 
fann auch ber gewifcigße UTann immer noch oiel 
lernen. 3 ^h möchte [agen, bu bijt bas (Segen« 
ftücf 3 u ber ZTora, bie bu freute gefpielt h<*ft" 

„Hiebt toaijr?" [agte fie gefdjmeidjelt, obwohl 
fte Feine Utjnung bauon I^atte, was er eigentlich 
meine. 

„Hora," fuhr er erläuternb fort, „ftfot ba unb 
wartet auf bas IDunberbare; bu aber, bu fchaffft 
bir bas IDunberbare täglich neu, bu weißt es 
überall 3U ftnben, bu erlebft es [eben Cag 

„0, bas IDunberbare!" flüfterte fte oor [ich 
hin unb ließ bie jwei H in bem IDorte bramati[ch 
rollen, ,,^ahl , bitte, Ca jus, wir wollen halb 
3U bir gehen!" 

Unb Cajus fjaffe h^t ftch 3war für einen 
großen tDeiberfenncr unb «bänbiger, aber [chließ* 

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li cf) batte noch jebe mit ifym gemacht, mas fte 
mollte. Unb fo gefdjab es auch Ijcutc. 

* * 

* 

Kls <£ajus bie Cür feines Schwimmers oon 
innen oerfchlofc, tjord]te er plöfelich auf. 

„EDas ift bas?" fagte er unb tuanb feine 
Schultern in bem (Befühl äufjerfter UnbehaglichFeit. 

„Sie Ijat einen IDeinFrampf," fagte £ona 
angenehm geFifeelt unb fchofj mit 3urücFgemorfnem 
Kopf unb uorgefirecFtem Kinn aus h<*lbgefchloffenen 
£ibern einen langen BlicF auf ihn ab. 

Uber <£aj,us mar es gatt3 unb gar nicht fo 
3umute. 

„3di mufj 3U ihr," fagte er. 

£ona aber fyng fd]on an feinem ffalfe unb 
flüfterte Fjifeig: 

„Hein, nein, la§ fte hoch! Das macht ja 
nichts." 

Uber er fchüttelte fte fehr energifch ab. Das 
hohe, fd]Iudi3enbe (Belachter mürbe immer lauter, 
unb es mobnten fchliefjlich hoch auch noch anbre 
£eute im fjaufe. <£r fchlofj auf unb ging über 

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Öen Uorribor in <§en3is ^intmer. Sie fafj in 
ihrem Bett, fah fcheufjüch aus unb würbe ©om 
IDeinframpf gerabeju gefchütteli. Als er ihr bie 
fjanb auf bie Schulter legte, machte fte eine 
rucffyafte Bewegung bes Abfcfjeus. 

„Aber «ge^i," jagte er, „bie Dame . . . €s 
ijt eine (Eäufchung ©on bir ... Sie will . . . Sie 
wollte . . . Sie ift ja überhaupt ©erheiratet." 

Aber leiber machte biefe Argumentation nicht 
ben geringen (EinbrucF auf <3en3i. So ging er 
benn nach einigem Zaubern wieber in fein 
Schlafsimmer hinüber, wo er £ona Iaufchenb an 
ber Cür fanb. (Er 30g biefe hinten fich 3U unb 
fagte in heftigem, aber fef>r artifuliertem Cheater* 
flüfterton: 

„(Es ift ein UnglücF; aber £ona, ich befchwöre 
bich, bu mu§t fort!" 

„Hein, nein," entgegnete fte fajt 3ifchelnb ©or 
Begeiferung, „la§ mich 3U ihr, ich werbe mit 
ihr fprechen." 

„Um (Sottes willen!" rief er unb paefte fie 
an ben ffanbgelenfen. Sie aber rang ftch mit 
ein paar flacFernben, hvferifchen Bewegungen los 

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unb fyatte bie Ciir hinter ftef? 3ugefdjlagen, efye 
er redjt $ur Befinnung fam. 

<£r machte ein bummes (Seftdjt , in bem 
Cacf?en unb ^orn miteinanber fämpften. 

„Sdjrecflid}!" backte er bann» „Unb <5*^3* 
F^at nod? ba3U eine oon beu gräßlichen grauen 
Bardjentnadjtjacfen an, bie ich ihr fdjon fo oft 
oerboten h<*be!" 

Sdjleppenben Schrittes ging er ju feinem 
Bette, feßte ftch barauf unb ftarrte mit bem 
Fatalismus eines Pe^toeifelten oor fich ijin. 

Hach einiger ,^eit fuhr er plöfclich auf: ^enji 
fcblucb3te ja nicht mehr. £fatte es gerabe auf* 
gehört, ober mar es fdjon länger fo ftiH; unb 
er tjatte nur nicht barauf geachtet? 

<£r fchlidj auf ben in ben Korribor 

hinaus. 

Die Cür brüben ftanb offen. £ona faß auf 
bem Bett unb preßte <5en3is unfrifterten Kopf 
an ihren Bufen. <£r tjörte, mie fte gerabe 
fagte: 

„Sehen Sie, liebes UTäbdjen, mir Frauen . . .! 
Sinb mir benn nicht alle 3um Ceiben geboren? 



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Sinb mir benn nicht alle Schmeftern? £affen 
Sie uns Schmefiern fein, liebes ZHäbchen!" 

Unb ^en3i fcblucfote gerührt: 

„3a! — — (D mie Sie gut ftnb!" 

Cajus fjaffe begab fich, geräufchlos, n?ie er 
gefommen mar, in fein IDohn3immer, machte 
licht unb fcfyrieb folgenben 23rief : 

„£iebe £ona! 

% 

3ch t^atte Dich für eine Heroine gehalten!! 
Du bift eine Sentimentale!!! Der3eih mir 
meinen 3 rr * un t ! 3ch h<*fo freute einen 
falfchen Con t>on Dir gehört, unb feitbem ift 
für mich alles aus! <£ine ?Eeufelin fonnte 
mich rei3en, ^>en3is Schmefler nicht. Da3U 
fenne ich <§en3i 3U gut. £eb moty! 

Cajus." 

Dann fuoertierte er ben 23rief, abreffierte 
ihn, flebte eine Dreipfennigmarfc baraitf, nahm 
^ut unb Stocf unb uerliefj leife unb ohne 2lb« 
fchieb feine EDohnung. 

2Us ber 23rief mit einem lauten plumpen 

W 



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auf bem <5runbe bes leeren poftfafiens an ber 
nädjjien Strafcenecfe angelangt mar, machte Cajus 
^affe eine meitausgreifenbe bjanbbemegung, bie 
befagte: emig! Dann 30g er ben Sdjlapp* 

Ijut tiefer in bie Stirn unb machte ftd? mit 
langen Schritten auf ben IDeg, um ein IDirts* 
fyaus 3U fuefjen, bas um biefe Stunbe nodi offen 
unb gut befuefjt märe. <£r fyatte bas 23 ebürf» 
nis, anbre £eute t>on meitem an feinem Scfymerje 
teilnefymen 3U laffen. 







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ttlbert Hangen “Derlag f.Hittecatur u.Hunfl lftünd>en 

VDerfe von &orft$ ^>olm 
0d)lof5 Übermut 

Uouelle 

Umfct>Iag 3 ctd)nung non Bruno Paul 

fünftes Caufenb 

(Bcbeftet J Ularf, gebunben J.50 UTarl? 

Bletne ^3ibüot|>cF Hangen Banb JO 

Berner Bunb: Per (Ittel fteht 3 U ber fleinen meifter* 
haften (Stählung in ironifdjer Be 3 ichung . . . Sie hinter* 
lägt fünftlerifh ben beften (Eittbrucf, ba bie Parfteümtg 
eine mei^erbafte ift, was natürlich in ber feinen Hharaf- 
teriftif aller in bie tjanblung eingreifenben perfonen ft<h 
am meiften geltettb macht. Korffy f}oIm fchilbert fo 
lebenswahr, ba§ ben £efer feinen 2 lugeitblid ein Zweifel 
befällt, bie Pinge fönnten ftch aitbers 3 ugetragen ober 
einen anbern Derlauf genommen h<*ben als ben, nach 
bem ber Derfaffer fte hmlenft. 



tTJesalltancen 

3i»ölf Hiebes- unb iet>cgef<^ich ten 
Umfcblagjetcbnung non (Cb- Cb ^ytinc 
drittes (Caufenb 

(Bebeftet J Jttarf, gebunben J.50 UlarF 
kleine Bibliotbtf Hangen Banb 3J 

Pas litterarifhe €d}0, Berlin: Ittan ift gewöhnlich 
geneigt bei nns, bie ^orm ber fur3en Sfi3se 3U unter= 
fdbätjeit, eben rneil fte 3» fnr3 ift. ÜTaupaffant unb nach 
ihm Cfche<hon> haben itejeigt, auf welche fünftlerifche 
f^öhe btefe (Sattung gebracht werben fann. Don ihnen 
hat f^olm gelernt, ohne fie nacb3uahmen. 

I>rucf oon fjeffe & ÜJecfer in Ceipjig 



■V 



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ÖTOOS'13005'1 



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